
Das erste große Sterben Zu dem frühesten der fünf großen Massenaussterben kam es vor 444 Millionen Jahren am Ende des Ordoviziums. Dieses nach den Ordovices, einem von den Römern vernichteten Keltenstamm in Wales, benannte Erdzeitalter folgte auf das Kambrium. An dessen Beginn hatten sich in der „kambrischen Explosion“ sehr rasch fast alle wichtigen Tierstämme entwickelt: Schwämme, Stachelhäuter, Gliederfüßler, Nessel-, Weich- und Wirbeltiere.
Im Ordovizium entfalteten sie dann alle ein immer größeres Formenspektrum, wenn auch noch fast ausschließlich im Meer. Mit dem Kopffüßler Cameroceras und seinem mindestens sechs Meter langen Kegelgehäuse gab es bereits einen Räuber an der Spitze der Nahrungskette. Ansonsten beherrschten die käferförmigen Trilobiten das Bild, und mit den Moostierchen (Bryozoen) trat der letzte noch fehlende bedeutende Tierstamm auf, der im Kambrium noch nicht vorhanden war.
Typisch für das Ordovizium waren indes die merkwürdigen Graptolithen, winzige, weitläufig mit den Wirbeltieren verwandte Wesen, die als Kolonien in filigranen, meist am Meeresboden verankerten Röhrenkonstruktionen wohnten.
Keine dieser und anderer damals dominanter Gruppen starb bei der Katastrophe am Ende des Ordoviziums völlig aus. Doch viele erlitten so heftige Verluste, dass sie sich nie wieder davon erholten. Die Zahl der Trilobitenfamilien etwa wurde mehr als halbiert, und die zuvor global vertretenen Grapto-lithen kamen danach nur noch in den damaligen Tropen vor. Das deutet bereits an, was damals passiert ist: Im späten Ordovizium wurde es – zum ersten Mal seit dem Erscheinen der Tiere – richtig kalt.
Das allein wäre vielleicht nicht so schlimm gewesen. Doch erstens war es zuvor brütend warm gewesen – die Kohlendioxid – Konzentrationen waren zehnmal höher als heute – und zweitens schob sich damals gerade ein Superkontinent, bestehend aus dem, was später Südamerika, Afrika, Indien, Australien und die Antarktis werden sollte, über den Südpol. Die Landmasse bot enormen Gletschern Platz, und das darin gebundene Wasser fehlte nun dem Ozean. Die Meeresspiegel sanken rasch um 70 bis 100 Meter und legten viele der vor marinem Leben wimmelnden ordovizischen Schelfmeere trocken. Und kaum hatte sich die Biosphäre mit den neuen Verhältnissen arrangiert, wurde es eine Millionen Jahre später plötzlich wieder warm. Das gab vielen Faunengruppen den Rest.