Pflanzen ohne Lichtatmung : Die Energiewende für unsere Ernährung
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Reiche Ernten: In Zukunft werden wir noch mehr davon benötigen, soll die wachsende Weltbevölkerung ernährt werden. Bild: dpa
Zur Ernährungswende jetzt also auch die Energiewende für unser Essen: Mehr Licht in Nahrung umwandeln ist der Trick. Das haben Genforscher geschafft. Trotzdem dürfte die „alternative“ Photosynthese für böses Blut sorgen.
Aktuell leben 7,67 Milliarden Menschen auf der Erde. Um sie in Zukunft halbwegs angemessen ernähren zu können, müssen die Erträge nach Ansicht der „Food und Agriculture Organisation der Vereinten Nationen (FAO)“ in den kommenden dreißig Jahren um fünfzig Prozent steigen. Die klassische Züchtung kann das nicht leisten, weil sie nur noch marginale Zuwächse erzielt. Ein Ertragssprung wie von der FAO gefordert, lässt sich nur mit einer radikalen Verbesserung der Photosynthese erreichen. Das ist der Prozess, mit dem Pflanzen bei Sonnenlicht aus Kohlendioxid und Wasser Biomasse und Sauerstoff herstellen. Viele Teams weltweit, auch deutsche Forschergruppen wie das um den Marburger Mikrobiologen Tobias Erb, versuchen, diesen Prozess durch künstliche Eingriffe zu optimieren.
Ein Team um Paul South von der amerikanischen nationalen Landwirtschaftsbehörde in Urbana, Illinois, ist nun offensichtlich einen wichtigen Schritt weiter gekommen bei der Entwicklung optimierter Photosynthesewege, und will damit damit eine Art Energiewende in der Pflanzenproduktion einläuten. Ihr Hebel: die Ausschaltung der sogenannten Lichtatmung, der sogenannten Photorespiration. Mit diesem Prozess kompensieren Pflanzen eine folgenschwere Schwäche ihrer Photosynthese-Maschinerie. Das zentrale Megaenzym Rubisco reagiert nämlich nicht nur mit Kohlendioxid, das den Kohlenstoff für das Wachstum der Pflanzen liefert, sondern auch mit dem bei der Photosynthese freiwerdenden Sauerstoff. Dabei entstehen toxische Verbindungen, die in einem aufwendigen Prozess wieder entgiftet werden müssen. Diese Entgiftung und das Hin und Her zwischen den beteiligten Kompartimenten kostet die Pflanzen nicht nur einen erheblichen Teil ihrer Energie, sondern auch ein Viertel des bereits fixierten Kohlendioxids, weil nur Dreiviertel über die Photorespiration zurückgewonnen werden. Beides reduziert die Effizienz der Photosynthese um zwanzig bis fünfzig Prozent. Allerdings wären Pflanzen ohne diese Rettungsaktion verloren.
South und seine Kollegen haben genau diese Ertragsreserve gehoben, indem sie Pflanzen durch Gentransfer dazu befähigt haben, auf ihre klassische Photorespiration zu verzichten und die bei der Reaktion mit Sauerstoff anfallenden toxischen Verbindungen über einen neu angelegten Stoffwechselweg zu entgiften, der weniger Energie verschlingt und mehr Kohlendoxid zurückgewinnt. Wie die Wissenschaftler in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Science berichten, lassen sich damit offensichtlich Ertragssteigerungen von bis zu vierzig Prozent realisieren. Als Modelpflanze nutzten South und seine Kollegen Tabak, da dieser neben Arabidopsis seit jeher eine der wichtigsten Versuchspflanzen der grünen Gentechnik ist.
Gene von anderen Arten eingebaut
Die Amerikaner haben sich dieser Ertragssteigerung schrittweise genähert und dabei drei neue Entgiftungsreaktionen konzipiert und getestet. Die dafür nötigen Gene haben sie bei anderen Lebewesen eingesammelt und zu neuen Synthesewegen verknüpft, die dann gezielt in die Chloroplasten der Tabakpflanzen geschafft wurden. Bei der ersten Variante haben South und seine Kollegen noch fünf Gene eingeschleust, bei der zweiten drei und bei der dritten nur noch zwei. Am besten funktionierte offenbar die auf zwei Fremdgenen basierende Entgiftungsreaktion. Die klassische Photorespiration braucht neun Gene. Die fulminanten Ertragssteigerungen haben South und seine Kollegen allerdings auch durch die rigorose Unterdrückung der klassischen Photorespiration erzielt. Dafür haben sie die Transportprozesse zwischen den Kompartimenten in der Zelle unterbunden und damit die gesamte Reaktionskette der klassischen Lichtatmung gekappt, so dass die transgenen Pflanzen nur noch auf die neuen Entgiftungsreaktionen zurückgreifen konnten.
Angesichts der breiten internationalen Skepsis gegenüber Pflanzen mit Fremd-DNA ist völlig offen, ob es schon bald relevante Nutzpflanzen mit einer alternativen Photorespiration geben wird. Der Europäische Gerichtshof hat erst kürzlich entschieden, dass auch Pflanzen, die mit der Genschere Crispr genetisch verändert werden und sich demnach nicht von klassischen Mutationen unterscheiden, unter die restriktive europäische Gentechnik-Verordnung fallen. Ob also transgene Pflanzen mit einem völlig neuen Syntheseweg Akzeptanz finden werden, ist völlig offen. Außer Frage steht allerdings, dass eine massive Ertragsteigerung nötig ist. Im vergangenen Jahr ist die Weltbevölkerung um 83 Millionen Menschen angewachsen und nichts deutet daraufhin, dass die Rate in diesem Jahr geringer sein wird.