Wo ist die Sonne? So eine dicke Suppe stört den Solarfarmer nicht ganz so sehr wie ein zäher Hochnebel im Winter. Bild: Getty
Die Dunkle Seite der Energiewende
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Wenn weder Wind weht noch die Sonne scheint, muss der Strom anderswo herkommen. Wie gefährlich sind solche Dunkelflauten für einen komplett auf Klimafreundlichkeit getrimmten Energiesektor?
So langsam werden die Tage länger, aber das nun wieder etwas ausgiebigere Sonnenlicht dringt kaum durch. Grau ist die Farbe dieses Winters, und trüb ist nicht nur der Himmel, sondern auch die Stimmung. Von wirklich grimmiger Kälte blieb das Land in diesen energiepolitisch heißen Zeiten verschont, doch schon im Februar kann die Russenpeitsche anrücken, wie kalte Kontinentalluft mitunter genannt wird. Selten hatten Wetter und Weltpolitik so viel gemeinsam.
Für Energieversorger ist jedenfalls eine heikle Zeit angebrochen, nicht nur was die Gasversorgung betrifft. Im Hochwinter drohen am ehesten Versorgungsengpässe auf dem Strommarkt, denn dann ist es mit höherer Wahrscheinlichkeit kalt, trübe und windstill zugleich. Ohne Sonne und Wind herrscht Dunkelflaute. Anlagen zur Anzapfung erneuerbarer Energiequellen liefern dann kaum Strom. Tritt das Phänomen zudem noch in Verbindung mit eisiger Luft auf, sprechen Experten von einer kalten Dunkelflaute. Solche Kältewellen können theoretisch mehrere Tage oder Wochen dauern, genau definiert ist das Phänomen nicht. Im schlimmsten Fall kollabiert das Stromnetz, denn gerade während eisiger Tage steigt die Stromnachfrage.
Das Szenario ist wie geschaffen für Drehbuchschreiber und für Weltuntergangspropheten, die ihre Freizeit gern mit Blackoutphantasien verbringen und nebenbei den Keller zum Vorratsbunker umbauen. Gleichzeitig ist ein Stromausfall das beliebteste Argument der Kritiker und Gegner der deutschen Energiewende, um den angeblichen Irrweg der deutschen Energiepolitik zu untermauern. Wenn Kohle- und Kernkraftwerke erst einmal vom Netz gehen, gehen im Land die Lichter aus, prophezeien sie. Aber ist diese Gefahr realistisch?
Man kann die Angstlust befremdlich finden, unterschätzen sollte man das Szenario nicht. Ein längerer Blackout im kalten Winter hätte furchtbare Folgen. Wie schnell sie sich zur Katastrophe auswächst, lässt sich in Marc Elsbergs Bestseller nachlesen – derzeit ist der Roman als Serie zu sehen. Doch selbst wenn nur kurz die Lichter ausgingen, würde die Energiewende als Ganzes infrage gestellt. Denn das Stromnetz ist auf Vertrauen aufgebaut. Bricht es zusammen, erodiert auch die Zustimmung zum Umbau des Landes. Diese Dynamik zeigte sich eindrücklich am 8. Januar vor einem Jahr, als Energieversorger einen Frequenzeinbruch am europäischen Stromnetz registrierten. Schnell wurden die Erneuerbaren beschuldigt, auf Twitter tobte ein Sturm. Am Ende stellte sich heraus, dass eine Umspannanlage in Kroatien den Zwischenfall ausgelöst hatte. Wind und Sonne waren unschuldig.
Weil ohne Strom nichts funktioniert, nehmen Energieversorger, Wissenschaftler und Politiker das Szenario sehr ernst. Sie müssen bewerten und abschätzen, wie realistisch das Risiko einer kritischen Stromversorgung während kalter Dunkelflauten ist, und Gegenmaßnahmen vorbereiten. Nicht zuletzt müssen sie eine Lösung finden, die sicherstellt, dass in einer klimaneutralen Zukunft die Stromnetze stabil bleiben. Einfache Antworten gibt es allerdings nicht. Denn wie alle Prognosen hängen auch diese von Annahmen ab, die heute noch ziemlich unsicher sind. Dazu gehört vor allem die Frage, wie schnell der Ausbau der Erneuerbaren voranschreitet – und wie häufig kalte Dunkelflauten in einem wärmeren Klima noch vorkommen.
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