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Schwarzes Loch der Milchstraße : Wie schwierig es ist, einen Ring abzubilden

Viele Darstellungen eines unruhigen Schwarzen Lochs: Für die Erstellung des ersten Bildes von Sagittarius A* war die Berechnung vieler Modelle nötig. Bild: K. Bouman, Caltech, EHT Collaboration

Es klang wie ein aussichtsloses Projekt, aber die Astronomen glaubten daran. Zu Recht: Nun gibt es ein Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße.

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          Auch den Wissenschaftlern war anzumerken, wie emotional und mit wie viel Aufregung verbunden diese Bekanntgabe war, die von der Europäischen Südsternwarte ESO als „bahnbrechendes Ergebnis des Event Horizon Telescope Projekts“ für den Donnerstag, 15 Uhr, angekündigt worden war. Aus ganz Europa waren sie im Eridanus-Saal der ESO-Zentrale in Garching zusammengekommen, um dort zu präsentieren, was mehr als dreihundert Wissenschaftler aus über 20 Ländern in jahrelanger Arbeit und nach jahrzehntelanger Vorbereitung gemeinsam geschafft hatten. Am Vortag hatte es unter striktem Ausschluss der Öffentlichkeit eine Generalprobe gegeben, denn das Timing, das Wissenschaftler sonst gerne einmal aus den Augen verlieren, war diesmal sehr wichtig: Auf der ganzen Welt waren Pressekonferenzen angekündigt, und das Ergebnis, ein astronomisches Bild, sollte überall genau gleichzeitig auf den Leinwänden erscheinen.

          Sibylle Anderl
          Redakteurin im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Für 15.07 Uhr war die Veröffentlichung angekündigt. Kurz vorher begann ein Zoom auf unsere Milchstraße, zuerst noch in optischer Ansicht, dann orange entflammt bei infraroten Wellenlängen, die den Blick ins Zentrum der Galaxie freigaben, dort immer tiefer hinein in seine merkwürdigen verschlungenen Strukturen, in die schwarze Leere, wo es schließlich auftauchte: das erste Bild von Sagittarius A*, dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße.

          Im ausgiebigen Applaus der anwesenden Wissenschaftler und Pressevertreter kam neben dem Respekt vor dieser bedeutsamen wissenschaftlichen Leistung wohl bei nicht wenigen auch Erleichterung zum Ausdruck und das Gefühl, nun endlich einen ganz wichtigen Meilenstein erreicht zu haben. Denn ein Bild von Sagittarius A*, kurz Sgr A*, aufzunehmen, war das erste und eigentliche Ziel der Wissenschaftler vom Event Horizon Telescope (EHT) gewesen.

          Wie ein Tennisball auf dem Mond

          Dass es 2019 trotzdem ein anderes Schwarzes Loch war, das auf dem historischen ersten Bild eines Schwarzen Lochs überhaupt zu sehen gewesen war, hatte praktische Gründe gehabt. Das damals gezeigte Objekt im Herzen der elliptischen Galaxie M87 ist zwar zweitausendmal weiter entfernt als Sgr A*. Dafür ist es um einen Faktor 1500 massereicher. Am Himmel erscheinen beide Schwarzen Löcher demnach etwa gleich groß – so groß wie ein Tennisball auf dem Mond. Größere Schwarze Löcher sind allerdings steter und verändern sich weniger schnell.

          Genau das hatte die Beobachtung von M87* im Vergleich zu Sgr A* zu einem deutlich einfacheren Unterfangen gemacht. Sobald sich das auch in den 1,3-Millimeter-Daten aus der Messkampagne von 2017 bestätigte, war die Entscheidung klar: „Machen wir erst mal M87, entwickeln die Methoden und zeigen, dass wir es können“, erinnert sich Anton Zensus, Gründungsdirektor des EHT und Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Es sei aber immer klar gewesen: Sgr A* ist das „Physiklabor“, die Quelle also, für die so viele komplementäre Daten vorliegen, dass man wirklich interessante Forschungsfragen bearbeiten kann. M87 sei auch eine tolle Galaxie, aber die Priorität habe immer Sagittarius A* gehabt.

          Der Schatten eines Schwarzen Lochs entsteht durch Lichtstrahlen (gelb), die vom Schwerefeld um das Loch herumgelenkt werden. Sie schließen den Schatten (roter Doppelpfeil) ein.
          Der Schatten eines Schwarzen Lochs entsteht durch Lichtstrahlen (gelb), die vom Schwerefeld um das Loch herumgelenkt werden. Sie schließen den Schatten (roter Doppelpfeil) ein. : Bild: F.A.Z. Grafik Piron/Kaiser

          Tatsächlich war bereits während der Pressekonferenz und noch viel mehr in persönlichen Gesprächen mit den Wissenschaftlern deutlich zu spüren, dass Sgr A* uns nicht nur physikalisch näher ist. Der ESO-Generaldirektor Xavier Barcons erinnerte daran, dass die Kernmotivation der ESO dafür, ihre Teleskope auf der Südhalbkugel zu stationieren, das Studium des Zentrums unserer Galaxie gewesen sei. EHT-Projektdirektor Huib Jan van Langevelde berichtete, wie er als Student von der „mysteriösen Radioquelle Sgr A*“ fasziniert wurde und in eigenen Beobachtungen immer nur verschwommene Aufnahmen vom Zentrum der Milchstraße zu sehen bekam – zwischen uns und der Quelle befindet sich interstellares Gas, das Strahlung streut und Bilder verschmiert, ein zweiter Faktor neben der Variabilität, der es im Vergleich zu M87* schwerer macht, Sgr A* zu beobachten.

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