Frühlingsbeginn : Flatterhaft, aber zäh
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Schon der Dichter Eduard Mörike schrieb einst über den „Zitronenfalter im April.“ Bild: Picture-Alliance
Wann fängt der Frühling wirklich an? Die Meinungen von Meteorologen, Astronomen oder Phänologen gehen da auseinander. Einem dürfte dies aber gänzlich egal sein: Dem Zitronenfalter.
Den Frühlingsbeginn kann man verschieden definieren, pragmatisch wie die Meteorologen (1. März), exakt wie die Astronomen (Tag- und Nachtgleiche) oder, wie die Phänologen, nach dem Entwicklungsstand der Vegetation (Beginn der Apfelblüte). Für mich ist Frühling, wenn ich den ersten Zitronenfalter sehe.
Von den knapp zweihundert Tagfalterarten, die bei uns in Deutschland heimisch sind, überwintern nur wenige als ausgewachsene Imagines. Es sind dies der Kleine Fuchs, das Tagpfauenauge, der C-Falter, der Trauermantel und der Große Fuchs. Unter diesen zähen Burschen ist der Zitronenfalter der härteste. Gonepteryx rhamni verkriecht sich nicht in irgendwelchen Ritzen, sondern hängt wie ein dürres Blatt in der Gegend herum, wobei ihm Schnee und eisige Temperaturen nicht viel auszumachen scheinen. Vorausschauend wie ein umsichtiger Autofahrer, der seine Scheibenwaschanlage für den Winter rüstet, hat er im Herbst das Frostschutzmittel Glycerin in seinen Zellen eingelagert; es setzt den Gefrierpunkt herunter und schützt ihn vor dem Erfrieren. So kann der Falter kurzfristig bis zu minus zwanzig Grad überstehen und bringt es so auf ein für Schmetterlinge biblisches Alter von zwölf Monaten, das er allerdings fast zur Hälfte verschläft.
Bei der Eiablage ist der Zitronenfalter, wie viele Vertreter der Ordnung Lepidoptera, außerordentlich wählerisch. Seine Raupen ernähren sich fast ausschließlich von den Blättern des Faulbaums und des Kreuzdorns, die sie von außen nach innen benagen. Wenn sie ruhen, richten sie sich exakt nach der Blattnaht aus und sind auf diese Weise schwer zu entdecken. Auch der Schmetterling selbst klappt, sobald er einmal sitzt, sofort die Flügel zusammen, um nicht weiter aufzufallen. Die Weibchen sind ohnehin nicht leuchtend gelb, sondern blass gefärbt, sodass man sie auf den ersten Blick mit dem Kohlweißling verwechseln kann.
„Zitronenfalter im April“
Zitronenfalter bevorzugen Waldränder und Gebüsch als Lebensraum. Sie sind also keine typischen Gartenbesucher. Es sei denn, man pflanzt ihnen eine Sal-Weide. Wenn deren Kätzchen, wie gerade jetzt, in voller Blüte stehen, ist sie eine der wichtigsten Futterpflanzen für die Frühaufsteher unter den Insekten. Wer nicht gerade allergisch gegen Weidenpollen ist, kann sich die Zweige auch ins Haus holen, wenn es draußen noch schneit. Bei den Prozessionen am heutigen Palmsonntag werden sie zusammen mit Buchs und anderem Immergrün zu Buschen gebunden und an langen Stangen durch die Gemeinde getragen. Gemäß der Liturgie wird damit des Einzugs Christi nach Jerusalem gedacht; er ritt zum Zeichen seiner Friedfertigkeit auf einem Esel, und das Volk streute ihm als Geste seines Sieges Palmenzweige, was die römischen Machthaber auf eben jene brachte.
Dass ein Schmetterling sich so früh im Jahr hervorwagt, war dem schwäbischen Dichter Eduard Mörike nicht geheuer. „Zitronenfalter im April“ dichtete er an seine Clara: „Grausame Frühlingssonne, Du weckst mich vor der Zeit, so wird der Mai mich nimmer sehn in meinem gelben Kleid.“ Im Mai ist die Paarungszeit der Zitronenfalter tatsächlich vorbei, und die nächste Generation bereitet sich aufs Schlüpfen vor. Sie seien in letzter Zeit vielerorts selten geworden, heißt es im Kosmos-Naturführer. Das trifft für viele Schmetterlinge zu und ist für den Gärtner kein Grund zur Freude.