Schildkröte „Harriet“ : Ein hinreißendes altes Mädchen
- Aktualisiert am
Harriet und Gäste an ihrem 175. Geburtstag Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Die älteste Schildkrötendame der Welt hatte eine Geschichte, auf die wohl viele neidisch sind. „Harriet“ war so etwas wie die „Muse“ Charles Darwins. Nun ist sie im Alter von 176 Jahren gestorben.
Harriet, die große alte Schildkrötendame, ist gestorben. Das älteste in Gefangenschaft lebende Tier der Welt verendete am Freitag in einem australischen Zoo nach einer kurzen Krankheit an einem Herzinfarkt - im reifen Alter von 175 Jahren. „Sie war ein hinreißendes altes Mädchen. Ihr Tod ist nicht nur ein Verlust für die ganze Welt sondern auch für meine Familie“, sagte Zoodirektor Steve Irwin, der mit der Galapagos-Riesenschildkröte genauso aufgewachsen war wie es jetzt seine eigenen Kinder waren.
Harriets letztes Vierteljahrhundert im Australia Zoo war ihrem Alter entsprechend der vermutlich ruhigste Abschnitt ihres Lebens. Etwa 1830 war sie auf den Ecuador vorgelagerten Galapagos-Inseln geboren worden (als man sie entdeckte, war sie etwa tellergroß, so daß man davon ausging, sie sei etwa sechs Jahre alt). Im Jahr 1835 - so wird zumindest gemutmaßt - von dem jungen Biologen Charles Darwin mit nach England genommen worden, mit dem Mann also, der später mit seiner Evolutionstheorie die Denkweise der Menschheit verändern sollte. Gesichert ist das allerdings nicht: Mit Tests will man bewiesen haben, daß Harriet von einer Insel stammte, die Darwin nie besucht hatte. Sie könnte aber zuvor von Insulanern dorthin gebracht worden sein.
Aus „Harry“ wurde „Harriet“
Bewiesen ist aber wohl, daß Harriet 1841 in Australien ankam und dort nach 20 beschaulichen Jahren im Garten eines privaten Heims nach 1860 dem staunenden Publikum im botanischen Garten der damaligen Kleinstadt Brisbane vorgeführt wurde - Brisbane hat heute mehr als eine Million Einwohner. Durch einen Irrtum war das Schildkrötenweibchen schon in England und später auch in Australien als Harry bekannt, was leicht erklärt, warum sie eher giftig auf andere Schildkrötenweibchen reagierte, die man ihr zuführte, um für Nachwuchs zu sorgen. Erst nachdem der rund 150 Kilogramm schwere „Harry“ schon 125 Jahre alt geworden war, wurde der Fehler bemerkt, zum Eierlegen war es für das flugs in Harriet umbenannte Reptil dann aber schon zu spät.
Während der Zeit im botanischen Garten wurde die Schildkröte, die zu der Unterart „Geochelone elephantopus porteri“ gehört, oft zu Unterhaltungszwecken wenig artgerecht verwendet: So durften zum Beispiel Kinder auf ihr Reiten. Erst im Australia Zoo wurde es dann so ruhig um Harriet, wie es sich für eine alte Dame gehört. Ihre schiere Präsenz und ihre erstaunliche Geschichte reichten, um Harriet den Respekt und die Bewunderung der Besucher zu sichern. Gelegentlich befanden sich unter ihnen sogar noch Gäste, die sie in ihrer Kindheit noch als „Harry“ kennengelernt hatten.
Ein Himmel voller Hibiskusblüten
Im November vergangenen Jahres wurde mit viel Aufmerksamkeit und großem Medieninteresse auf der ganzen Welt Harriets 175. Geburtstag gefeiert. Zu diesem Zeitpunkt waren sich ihre Betreuer noch einig, daß die kerngesund wirkende Schildkröte nicht auch noch die 200 schaffen könnte. Zumindest der Weltrekord von Artgenosse „Tui Malila“, der dem König von Tonga von Entdecker James Cook geschenkt worden war und im Alter von 188 oder 192 Jahren in dem Pazifikkönigreich starb, stand in Aussicht. Nun ist Harriet doch gescheitert. Aber sollte es einen Schildkrötenhimmel geben, wird sie sich sicherlich mit reichlich Hibiskusblüten trösten. Die waren nämlich ihr Leibgericht.