Der Verleger John Murray war bei Darwins Buch über den Wandel der Arten nicht sicher, ob es sich gut verkaufen würde. Denn Tauben hatten keine prominente Rolle darin. Dabei waren sie im damaligen England hoch angesagt. Trotz Bedenken wurde das Buch ein Welterfolg.
Darwin hat nichts in der Cafeteria des londoner Naturkundemuseums zu tun. Viel eher passt er in dessen Eingangshalle. Dorthin ist seine Statue jetzt umgezogen und hat die Skulptur des Museumsgründers vertrieben. Ein gebührender Abschluss der Serie „Down House“.
Darwins gewagte Vermutung, Wale könnten vom Bären abstammen, brachte ihm nur Gelächter ein. Dabei hat der Wal tatsächlich einen Rückschritt in der Evolutionsordnung gemacht. Sein Vorfahr ist das Nilpferd.
Fakten, Fakten, Fakten: Mehr Klimawissen gab es nie, mehr Einigkeit auch nicht. Und doch zeigt Madrid: Die Lösung der Klimakrise bleibt für die meisten höhere Mathematik – mit einer Unbekannten.
„Er ist mir gegenüber gänzlich ohne Eifersucht“, sagte Darwin über den britischen Naturforscher Alfred Russel Wallace. Der Mitentdecker der Evolutionstheorie wird bis heute viel zu wenig wahrgenommen. Kein Wunder, nannte er die gemeinsame Entdeckung doch selbst „Darwinismus“.
Diskurspolizisten würden die Metapher gerne ins Reservat des Literarischen verbannen. Darwin hingegen illustrierte damit evolutionäre Prozesse, die das Vorstellungsvermögen seiner Leser überschritten. Und bot Anschlussmöglichkeiten an den Schöpferglauben.
Die Nachrichten über die Erderwärmung wurden zuletzt immer schriller. Unsere Grafiken, die aus den jüngsten Forschungsstudien erzeugt wurden, bezeugen den beschleunigten Wandel im Eis, in den Böden und in den Ozeanen.
Allein die Gelegenheit macht noch keinen Ornithologen: Ohne fremde Hilfe hatte Darwin auf den Galapagos-Inseln nur die Spottdrosseln verifizieren können. Er musste einsehen, dass die Schnabelform nicht immer ein Familienkriterium ist.
Das Auge, Kronzeuge der Evolution, brachte Darwin seinerzeit in Erklärungsnot. Konnte dieses komplexe Organ durch Auslese entstanden sein? Der Schöpferglaube lag nah, doch der Evolutionsglaube siegte, denn 1859 entdeckte er bei Meeresborstenwürmern „Protoaugen“.
Kein Wunder, dass Darwin keine Scheu hatte, den Stammbaum des Menschengeschlechts zu untersuchen. Seine eigene Abstammung war tadellos: Sein Opa war ein Arzt und Weiser, der dem Enkel zahlreiche Ideen zur adaptiven Zuchtwahl in Versform hinterließ.
Intime Einzelheiten über Darwins Studienzeit geben sechs Register preis, in denen seine Auslagen protokolliert sind. Bettmacher, Wäscherinnen und Schuhputzer erleichterten ihm das Leben, während er sich Tabak und Wein, aber auch der gesunden Ernährung widmete.
Darwins Verhältnis zur bildenden Kunst war von den Interessen des Forschers geleitet. Für die Recherchen zu seinem Buch „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ schien sie ihm wenig hilfreich. Dem Bildhauer Thomas Woolner verdankt er jedoch eine Entdeckung.
Nur ein einziges Mal, in einer Lebensskizze für seine Enkelkinder, spricht Darwin von einem Erweckungserlebnis für seine Evolutionstheorie. Er meint Thomas Malthus' Buch „Essay on the principle of population“. Warum wird das Buch sonst nirgendwo erwähnt?
Würde er heute noch leben, wäre Darwin wahrscheinlich Fan der amerikanischen Fernsehserie „Die Simpsons“, so wie die Simpsons umgekehrt Darwin-Fans sind. Darwin hatte bei den Simpsons auch schon einen Auftritt, doch seine Evolutionstheorie vertrug sich schlecht mit dem Sendeformat.
Auf seine alten Tage wird der Einstein der Arten zum Papst der Ringelwürmer. Im Jahr 1881 erscheint „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer mit Beobachtungen über deren Lebensweise“. Es findet reißenderen Absatz als das Gründungswerk der Evolutionstheorie „Über die Entstehung der Arten“.
Auch die Hummel kann betrügen: Das glücklich wirkende Tierchen verschafft sich mitunter gewaltsamen Zugang zum Nektar. Anstatt in die Blüte zu kriechen, beißt sie ihr ein Loch in die Seite. So trägt die Hummel keinen Blütenstaub weiter. Die Blume ist geprellt, Darwin fasziniert.
Warum trägt der Pfau ein derart prächtiges Gefieder? Diese Schönheit kann nicht Selbstzweck sein, meinte Darwin. Zwar wurde ihm beim Anblick von Pfauenfedern für gewöhnlich schlecht, doch für seine Theorie der sexuellen Selektion lieferten sie ihm reiches Anschauungsmaterial.
Der Schwanz der Pfaus ist wie das Erröten der Wangen: ein ehrliches Signal. Auffällige Zeichen, die verwundbar machen, können sich nur diejenigen leisten, die gesund und geschickt genug sind, um damit überleben zu können. Darwin kam diesem Handicap-Prinzip sehr nah.
In den Atollen von Tahiti entdeckt Darwin, dass Korallen Küsten schützen. Ganz ohne Schnorcheln und Tauchen hat er erkannt, dass ihre Riffe Hot Spots der Biodiversität sind. 1842 stellt er seine Riff- und Atolltheorie auf und begründet damit die Forschungsrichtung der Geobiologie.
1836 sieht Darwin in Australien zum ersten Mal Schnabeltiere. Angesichts dieser Laune der Natur zweifelt er vermutlich erstmals an einem allgegenwärtigen Gott. Zu diesem Zeitpunkt ist er zwar noch kein Evolutionist, doch die Erkenntnis beginnt, sich in seinem Kopf zu verdichten.
Um 1860 karikierte die Presse munter die Verwandtschaft des Menschen zum Affen. Darwin amüsierten diese Darstellungen und auch als sein Kopf auf einem Orang-Utan-Körper wieder auftauchte, blieb er gelassen. Denn diese Scherze machten ihn bekannter, oder vielmehr sein Gesicht.
Während seine Wissenschaftskollegen den Neandertaler ausführlich besprachen, zeigte sich Darwin von ihm recht unbeeindruckt. Denn eigentlich brauchten die Forscher den Fund nicht, sie hatten andere Modelle und der Schädel aus dem Neander Tal passte sowieso nicht ins Schema.
Aus gutem Grund durften seine Kinder nicht am Wurmstein spielen: Darwin erforschte die Regenwürmer, die sich darunter wanden. Damit begründete er sein letztes größeres Werk über die Bildung von Ackererde und bewies, dass unser Leben zu kurz ist, um den Wandel der Natur zu bemerken.
1835 interessierte sich Darwin nicht für den Artenreichtum der Riesenschildkröten auf den Galápagos-Inseln, sondern für ihren kulinarischen Genuss. Die Kochtöpfe an Bord der „Beagle“ waren voll von ihnen.
Als Darwin 1838 auf den Menschenaffen Jenny trifft, wird ihm klar, dass der Mensch ein Abkömmling der Tiere sein muss. Durch sie und ihre Artgenossen wurde eine Diskussion angestoßen, die sein Hauptwerk „Über die Entstehung der Arten“ zur „Affentheorie“ machte.
In Studientagen fürchtet Darwin, seine Sammlerleidenschaft könne in seiner „armen Birne“ die Mathematik vertreiben. Auch Privatstunden halfen ihm nicht dabei, den Sinn irrationaler Zahlen zu verstehen. Mit den Jahren litt auch sein Kunstsinn unter den spezialisierten Forschungen.
Nachdem er 1860 in Leipzig einen Vortrag über Darwin gehört hatte, war der Zoologe Alfred Edmund Brehm zum Darwinismus konvertiert. Sein „Thierleben“ ist merklich von der Evolutionstheorie beeinflusst. Darwin wiederum machte sich später Brehms Illustrationen für seine „Abstammung des Menschen“ zunutze.
100-Prozent-Quote : Die Dramaturgen der Klimawende
Ein Kommentar von
Joachim Müller-Jung
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