Nutzung von Antibiotika : Eine positive Entwicklung in der Krise
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An der Frankfurter Uniklinik gibt es eine Spezialabteilung für den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Bild: Frank Röth
Die Pandemie hatte auch positive Folgen: Die Verschreibung von Antibiotika hat in Deutschland einen historischen Tiefstand erreicht. Aber ist die Entwicklung nachhaltig?
Eines hat die Corona-Pandemie unmissverständlich klargemacht: Eine Gesellschaft kann durchaus auf die Bremse treten, wenn sie beim öffentlichen Gesundheitsschutz mit dem Rücken zur Wand steht. Der erste Lockdown sorgte nicht nur dafür, dass Deutschland glimpflich durch die erste Corona-Welle kam, er führte auch zu einem massiven Rückgang bei den Antibiotika-Verordnungen. Im ersten Quartal nach der öffentlichen Vollbremsung wurden 26 Prozent weniger Antibiotika verschrieben als vor der Pandemie. Die Zahlen sind seitdem nicht wieder angestiegen. Bei Kindern unter sechs Jahren haben sich die Verordnungen nahezu halbiert. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung spricht von einem „historischen Tiefstand“.
Was lässt sich daraus für die Zeit nach der Pandemie lernen? Die Schließung der Schulen und Kindertagesstätten ist nicht der Hauptgrund für den Rückgang, denn die meisten Antibiotika wurden bei den 18- bis 65-Jährigen eingespart. Wichtiger waren offensichtlich die Infektionsschutzmaßnahmen, mit denen viele andere Infektionskrankheiten verhindert werden konnten. Das Zentralinstitut vermutet auch, dass die Pandemie den Umgang mit Atemwegserkrankungen verändert hat. Wer heute Erkältungssymptome hat, bleibt zu Hause und geht nicht mehr krank und mit Antibiotika gepäppelt zur Arbeit.
Was immer den Rückgang bewirkt hat, ob Maske, Abstand und Händewaschen oder die Einsicht, dass sich Menschen mit einer Infektionskrankheit isolieren müssen – der tiefe Einschnitt ist hochwillkommen und hoffentlich nachhaltig. Denn anders als die Corona-Pandemie ist die wachsende Antibiotikaresistenz eine Gesundheitskrise mit Ansage. Nach bisherigen Schätzungen gehen jedes Jahr weltweit 1,27 Millionen Todesfälle auf das Konto antibiotikaresistenter Erreger. Ohne eine radikale Zäsur bei der Nutzung von Antibiotika und ohne Nachschub neuer Mittel wird sich daran nichts ändern. Die pharmazeutische Industrie hat derzeit aber wenig Anreize, neue Produkte zu entwickeln, weil diese als Reserveantibiotika betrachtet und zurückgehalten werden. Damit deckt der Umsatz nicht die Kosten der Entwicklung. Ohne politische Unterstützung wird sich das nicht ändern. Lange kann die Welt darauf aber nicht mehr warten.