Quantencomputer : Google erreicht die nächste Stufe des Quantenrechnens
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Der Quantenchip „Sycamore“ von Google verfügt jetzt über 72 supraleitende Quantenbits. Bild: Google Quantum AI
Wider den Quanten-Fehlerteufel: Google-Forscher haben ein zentrales Problem des Quantencomputers „Sycamore“ in den Griff bekommen: die Fehlerrate.
Nobody’s perfect – das gilt insbesondere für Quantencomputer, also Rechnersysteme, die für ihre Kalkulationen die Effekte der Quantenphysik nutzen – etwa die Überlagerung und Verschränkung von Quantenzuständen – und deshalb Optimierungsaufgaben und weitere komplexe mathematische Probleme lösen können, die jeden klassischen Computer überfordern. Doch schon geringe elektrische Streufelder und Temperaturschwankungen machen den Quantenrechnern zu schaffen. Sie zerstören die fragilen Quantenzustände, die in gefangenen Ionen oder in tiefgekühlten Mikroresonatoren, sogenannten supraleitenden Qubits, gespeichert sind. Wenn dem System durch solche Störungen wichtige Quanteninformationen abhanden kommen, schleichen sich Fehler ein. Das wird umso dramatischer, je größer die Zahl der Quantenbits ist, mit denen ein Quantenrechner arbeitet.
Die klassische Fehlerkorrektur eines PCs, die in der Übertragung und Verarbeitung digitaler Daten schnell falsche Bits ausbessert, hilft da nicht weiter. Die in den Qubits codierten Daten lassen sich nicht wie klassische Nullen und Einsen kopieren und somit auch nicht redundant abspeichern, denn beim Kopieren von quantenphysikalischen Zuständen werden die Originaldaten zerstört. Zudem sind Quantenzustände besonders störungsempfindlich, was die Durchführung von Quantenberechnungen ohne effiziente Fehlerkorrektur empfindlich beeinträchtigt. Gefragt sind daher andere Strategien zur Fehlervermeidung. In einer Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Nature„ stellen Wissenschaftler von Google jetzt ein erfolgversprechendes Verfahren vor, um die Fehlerkorrektur eines Quantenrechnersystems drastisch zu verbessern. Es funktioniert bei größeren Quantensystemen erstaunlicherweise besser als bei kleinen, wie Test mit dem Quantencomputer „Sycamore“ gezeigt haben.
Der Traum vom perfekten Rechnen
Vor vier Jahren hatte Google mit seinem Quantenrechner Sycamore für Aufsehen gesorgt. Dessen 53 supraleitende Qubits erledigten damals in 200 Sekunden ein komplexes Problem, an dem der IBM-Supercomputer „Summit“ zehntausend Jahre lang geknobelt hätte. Inzwischen haben die Forscher in den Google Labs in Kalifornien Sycamore aufgerüstet. Das System verfügt nun über 72 supraleitende Quantenbits, zudem wurden weiteren technischen Verbesserungen vorgenommen. Doch trotz seiner Leistungsfähigkeit war der Rechner bislang äußerst störanfällig, weil es bislang an einem effizienten Fehlerkorrektursystem mangelte.
Die Erbauer von Quantencomputern haben inzwischen gelernt, Fehler einzelner Qubits schnell zu erkennen und anschließend zu beheben, sodass Quanteninformation über längere Zeit erhalten bleibt. Dabei helfen spezielle Algorithmen und Hilfsqubits. Diese bemerken sofort, wenn ein zuvor aktives Quantenbit abhandengekommen ist. Das geschieht berührungslos über den Effekt der quantenmechanischen Verschränkung. Anschließend wird ein Mechanismus ausgelöst, der die verloren gegangene Quanteninformation rettet und wieder herstellt. Das funktioniert für Systeme aus einer Handvoll Qubits recht gut. Doch je mehr Qubits an den Kalkulationen beteiligt sind, desto schwieriger wird das Verfahren, da auch die Zahl der Hilfsqubits ansteigt.
Eine Strategie, die auch die Forscher von Google jetzt bei Sycamore genutzt haben, ist sogenannte Surface-Code-Fehlerkorrektur. Hier wird die Quanteninformation nicht in einzelnen fragilen supraleitenden Quantenresonatoren gespeichert, sondern auf eine größere Anzahl solcher physikalischen Objekte verteilt und codiert. Dabei entstehen logische Quantenbits, die unempfindlicher gegenüber Störungen sind, eben weil sie mehrere physikalische Quantenbits umfassen. Weil man die physikalischen Quantenbits in einer Ebene anordnen kann, spricht man von Oberflächen- beziehungsweise Surface-Codes.