Im Land der Gewickelten : Der kuriose Krokodilkult im alten Ägypten
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Das gab es in jedem gut sortierten Tempelshop: ägyptische Krokodilmumie aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus Bild: AKG
Krokodile wurden im alten Ägypten wie andere Tiere hoch verehrt. Sie wurden einbalsamiert und für die Ewigkeit konserviert. Trotzdem hätte man dort nicht als Panzerechse zu Welt kommen wollen.
Um das Jahr 25 vor Christus besuchte der griechische Geograph Strabon auf seiner Ägyptenreise die Stadt Arsinoë, das heutige Medinet al-Faiyum inmitten der gleichnamigen großen fruchtbaren Senke westlich des Unterlaufs des Nils. „Früher hieß die Stadt Krokodilopolis“, schreibt Strabon. „Denn in diesem ganzen Gau verehren sie sehr das Krokodil. Auch Souchos genannt, ist es ihnen heilig, wird in einem eigenen Becken gehalten und ist zahm zu den Priestern.
Von den Fremden, die immer kommen, um es zu sehen, wird es mit Backwerk, Fleisch und Wein gefüttert.“ Strabons Begleiter hatte Kuchen, gebratenes Fleisch und einen Krug Melikraton dabei, eine Art Milchshake mit Honig. Das wurde, wie der Geograph nun beschreibt, dem Tier durch einen Priester in den Schlund gestopft respektive gegossen, während ein zweiter ihm das Maul aufhielt. Mit den kulinarischen Mitbringseln eines anderen pilgernden Touristen wurde gleich im Anschluss genauso verfahren.
Das arme Tier. Der Verschleiß an Inkarnationen des krokodilköpfigen Gottes Sobek, die in den Städten des Faiyum verehrt wurden, dürfte erheblich gewesen sein. Tatsächlich haben Archäologen dort große Mengen einbalsamierte Krokodile gefunden. Allein eine italienische Grabung in Tebtynis am Südrand des Faiyum förderte 1899 Tausende antiker Krokodilmumien zutage.
Der Aufstieg des Krokodilköpfigen
Dabei war die exzessive Krokodilverehrung erst ein Phänomen der Spätphase der altägyptischen Geschichte, als die griechischen Ptolemäerkönige und schließlich die römischen Kaiser den Pharaonentitel führten. Die Bedeutung der Tiere bereits in der Frühzeit belegt indes eine Hieroglyphe, die eine Krokodilschuppe darstellt. Sie steht für die Konsonantenfolge „km“, die auch das Wort für „schwarz“ ist. Damit wurde auch das Wort „kemet“ (wörtlich „die Schwarze“) geschrieben, und so nannten die alten Ägypter ihr Land. Trotzdem: Über die drei Jahrtausende gesehen, in denen die altägyptische Kultur blühte, war Sobek kein besonders bedeutender Gott. Er gehört weder zu den neun kosmischen Göttern in Heliopolis noch zu den acht in Hermopolis Magna und erst recht nicht zur Trias des Neuen Reiches Amun, Ra und Ptah.
Verehrt wurde der Krokodilgott allerdings bereits im Alten Reich. Seine früheste Erwähnung findet sich in den Pyramidentexten des um 2350 v. Chr. verstorbenen Pharaos Unas. Im Faiyum, dessen Sumpfland vor Krokodilen nur so gewimmelt haben muss, dürfte Sobek aber damals schon ein wichtiger Lokalgott gewesen sein. Als solcher machte er landesweit Karriere, als die Pharaonen des Mittleren Reiches einen Kanal vom Nil ins Faiyum anlegen ließen und es dadurch zu einer wahren Kornkammer machten. Insbesondere Amenemhet III., unter dem das Mittlere Reich im 19. Jahrhundert v. Chr. in höchster Blüte stand, war ein großer Verehrer des Krokodilgottes und gab seiner Tochter den Namen Sobekneferu, „Die Schönheit Sobeks“. Sie bestieg übrigens später selbst den Thron, als erste Herrscherin mit voller Pharaonentitulatur.