Gemeinschaftliches Wohnprojekt : Vorwärts Genossen!
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Wohnungsgenossenschaften versprechen mehr als nackte Wände. Doch stellt sich das Gemeinschaftsgefühl auch ein? Die Genossen vom Projekt „Spreefeld“ in Berlin hoffen darauf. Bild: Ute Zscharnt
Genossenschaftliches Wohnen ist beliebt wie noch nie. Ist es die Rettung vor steigenden Immobilienpreisen?
Manchmal stutzt Yvonne Aussmann selbst, wenn sie sich die nackten Zahlen ansieht. Die Zahlen ihrer Genossenschaft. Dann sagt sie Sätze wie: „Wir haben ganz ordentlich zugelegt in den letzten Jahren.“ Und das ist ganz schön untertrieben. Die Wogeno hat sich erst 1993 gegründet, um in der Großstadt München für ihre Mitglieder neue Wohnungen zu bauen - bezahlbare vor allem. Vor vier Jahren hatten sich bereits 1900 Bürger zusammengefunden, die diese Idee unterstützten und zu Genossen wurden, obwohl es nur 239 Wohnungen gab. Seitdem haben sich die Zahlen verdoppelt: Heute zählt die Wogeno 3800 Mitglieder, und durch vier Neubauprojekte bringt sie es immerhin auf 540 Wohnungen. Das ist immer noch verschwindend wenig in einer Stadt, in der fast 1,4 Millionen Menschen leben und so hohe Mietpreise aufgerufen werden wie sonst nirgends in der Republik. Aber die Wogeno ist auch nur eine von 40 Wohngenossenschaften, die es hier mittlerweile gibt. Allein 15 davon haben sich im vergangenen Jahr gegründet.
Nicht nur im Süden der Republik erleben die selbstverwalteten Wohnungsunternehmen, die das eG im Firmennamen tragen, enormen Zulauf. In allen Großstädten mit angespannten Immobilienmärkten rennen die Interessenten ihnen regelrecht die Bude ein. „Über neue Mitglieder brauchen wir uns keine Sorgen zu machen“, sagen die Genossen in Berlin. „Wir machen schon gar keine Werbung mehr, die Leute stehen auch so Schlange, um beizutreten“, stellt Monika Böhm fest. Sie vertritt als Vorstand den Hamburger Verband der Genossenschaften im Wohnbau und damit 30 Gesellschaften mit 130 000 Wohnungen und 200 000 Mitgliedern.
„Die Leute stehen Schlange“
Gerade in den vergangenen Jahren, in denen die Mieten in der Hansestadt stiegen wie der Elbpegel bei Dauerregen, schlossen sich viele Bürger an. Denn bei Genossenschaften - das ist quasi ein Naturgesetz des Wohnungsmarktes - sind die Mieten günstig, und wer einmal eine Wohnung bekommen hat, genießt lebenslängliches Wohnrecht.
Im Schnitt verlangen die Hamburger Genossen sogar weniger Miete als städtische Sozialwohnungen, nur 6 Euro, sagt Monika Böhm. Die soziale Miete liege zwischen 6,30 Euro und 8,40. Deshalb sagen die Hanseaten selbstbewusst: „Wir sind die Mietpreisbremse!“
Sind sie das wirklich? Ist die Wiederentdeckung der Genossenschaftsidee, die es immerhin seit mehr als 100 Jahren gibt, tatsächlich die Lösung für die angespannten Mietmärkte der Republik? Das wäre schön, aber ganz so einfach ist es nicht. Zumal auch die Genossen inzwischen an viele Grenzen stoßen.
Viele Genossen stoßen an ihre Grenzen
Bundesweit existieren 2000 solcher Wohnungsgesellschaften, deren Anhänger von der „schönsten Unternehmensform, die es gibt“, schwärmen. Denn hier gehört allen Mitgliedern gemeinschaftlich das Unternehmen und das Geschäftsziel ist: Sie wollen günstigen Wohnraum schaffen, indem alle gemeinsam ihre eigenen Wohnungen finanzieren, ohne dafür große Kredite aufnehmen zu müssen. Stattdessen zahlen sie wie Mieter lebenslang eine Nutzungsgebühr. Jeder Mieter ist also auch Mitbesitzer am Gemeinschaftsunternehmen und hat ein Mitspracherecht bei Entscheidungen. Zudem arbeiten Genossenschaften nicht gewinnorientiert, das heißt: Erzielen sie Überschüsse, werden diese reinvestiert. Davon modernisieren sie Wohnungen, richten Gemeinschaftswerkstätten oder Hobbykeller ein oder bauen neue Häuser. Zurzeit kommen die deutschen Wohngenossenschaften auf 2,2 Millionen Wohnungen, das ist etwa jede zehnte Mietwohnung im Land. Darin leben gut fünf Millionen Bewohner, jeder sechzehnte Bundesbürger also.