Villa E.1027 : Auferstanden aus Ruinen
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Bewegte Geschichte: Die Villa war Schauplatz zahlloser Dramen, unter anderem eines Mordes Bild: akg-images / Schuetze / Rodemann
Die Villa E.1027 in Südfrankreich ist eine Architektur-Ikone. Nicht nur Schöpferin Eileen Gray, auch Le Corbusier hat dort Spuren hinterlassen. Fast vergessen und verfallen, erstrahlt sie nun in neuem Glanz.
Côte d’Azur. Blauer Himmel, die Weite des Mittelmeers und in der Sonne das strahlende Weiß der Villa E.1027. Es ist einer dieser magischen Orte, die so viele Menschen faszinieren. Wo sich Leben und Liebe, Leidenschaft und Verlust, Ruhm und Legende ineinander verstricken. Ein Ort, der nicht nur Architekturgeschichte schrieb, sondern an dem auch viele Lebensgeschichten eine unerwartete Wendung nahmen.
In Roquebrune am Cap Martin hat Eileen Gray einen Meilenstein der Moderne geschaffen. Die Villa E.1027 war das erste Bauwerk der einflussreichen Designerin. Und es ist zu ihrem Vermächtnis geworden. Nach langer Leidensgeschichte ist die Architektur-Ikone in den vergangenen Jahren aufwendig restauriert und vor dem endgültigen Verfall gerettet worden. Nun leuchtet das gebaute Manifest der Moderne wieder an der südfranzösischen Küste und ist ein begehrtes Ziel für Architekturinteressierte.
Die Bedeutung dieses Bauwerks ist eng mit der Biographie seiner Schöpferin verknüpft. Eileen Gray gilt als eine der wichtigsten Möbeldesignerinnen und Architektinnen des frühen 20. Jahrhunderts, als einflussreichste Protagonistin dieser Periode überhaupt. Lange Zeit waren ihr Name und ihr Wirken fast vergessen, bis das Interesse an den großartigen Entwürfen zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder geweckt wurde und die Preise für Originalarbeiten bei Auktionen in schwindelerregende Höhen stiegen. Unvergessen ist zum Beispiel die Auktion der Kunstsammlung des Modeschöpfers Yves Saint Laurent im Jahr 2009, zu der auch der 90 Jahre alte „Drachensessel“ von Gray gehörte. Das Stück wurde für knapp 22 Millionen Euro versteigert. Ein paar Jahrzehnte zuvor wäre das noch undenkbar gewesen. Als der Möbeldesigner Zeev Aram kurz vor ihrem Tod auf die 95 Jahre alte Gray zuging und sie fragte, ob er ihre Entwürfe in kleinen Stückmengen nachproduzieren dürfe, habe sie ihn unablässig gefragt, ob sich das wirklich lohne, erinnert sich Aram. Die Designerin war mutig, unabhängig und visionär - aber zur Selbstvermarktung hatte sie kein Talent.
Das Leben von Gray umspannte fast ein Jahrhundert - und war ähnlich bewegt wie die Dekaden, in denen sie lebte. Als sie im Jahr 1900 mit ihrer Mutter zur Weltausstellung nach Paris reiste, öffnete sich für die 22 Jahre alte Irin der Blick in die moderne Welt. Sie hatte als eine der ersten Studentinnen die Slade School of Fine Arts in London besucht, nun zog die französische Hauptstadt sie in ihren Bann. Die Weltausstellung präsentierte die Verheißungen des aufziehenden Jahrhunderts, die anstehende Zeitenwende in Technik, Gesellschaft und Kultur war nicht zu übersehen. Paris quoll über vor Inspiration, mit Begeisterung ging Gray ans Werk. Sie saugte die vielfältigen Einflüsse auf, doch in den Arbeiten dominieren zunächst noch Elemente des Art Nouveau und des besonders in Frankreich angesagten Japonismus. Einflüsse, die sich auch im Entwurf des „Drachensessel“ zeigen.