Was für ein Ding! : Spiritus Rector des Stilzitat
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Der Designer entwarf auch für den Möbelhersteller Ikea. Bild: Ikea
Der Designer Virgil Abloh wurde oft als ideenlos kritisiert. Dabei war das Gegenteil der Fall. Kolumne „Was für ein Ding!“
Im Modezirkus wurde es am vergangenen Sonntag, als die Nachricht vom Tod des Designers Virgil Abloh die Runde machte, für einen Moment ganz ruhig. 41. Krebs. Im Angesicht dieses frühen Todes bissen sich Kritiker, die den Amerikaner gern als rastlosen Hansdampf in allen Gassen bezeichnet hatten, erst mal auf die Lippen. Es stimmte ja: In den letzten Jahren hatte Abloh mit so vielen Marken kooperiert, dass sich die Frage stellte, ob er selbst da überhaupt noch den Überblick behielt. Nicht nur Modefirmen (Levi’s, Moncler), Autohersteller (Mercedes) und Parfümproduzenten (Byredo) schmückten sich mit seinem Namen, selbst Lebensmittelkonzerne wie Danone engagierten Abloh.
Der Modeschöpfer, der im Hauptberuf neben seiner eigenen Marke Off-White auch die Herrenkollektionen von Louis Vuitton verantwortete, hinterlässt aber auch eine Reihe von Möbelstücken. Entstanden sind sie etwa für Ikea. 2019 entwarf er für den Möbelkonzern die „Markerad“-Kollektion – „Statement-Pieces für die erste Wohnung“, wie es damals hieß. Ironisch überhöhte Teppiche, die aussahen wie Kunstrasen und die Aufschrift „Wet Grass“ trugen, oder Läufer im Look einer Ikea-Quittung, erreichten auf Marktplätzen im Internet schon vor seinem Tod astronomische Preise. Den eklektischen Stil verfolgte Abloh auch bei Entwürfen für die Pariser Galerie Kreo: Eine Bank wie eine Skaterampe, durchbohrt und mit Graffiti bedeckt; Betontische und Konsolen, die das Erbe des Brutalismus feiern. Wie in der Mode versuchte Abloh, Straße und Hochkultur zusammenzubringen. Das zeigte sich vor allem bei der Zusammenarbeit mit dem Hersteller Braun, dessen Wecker „BC02“ er in monochrome Signalfarben tauchte. Selbst vor der sakrosankt geglaubten Wandanlage von Dieter Rams machte Abloh nicht Halt.
Der studierte Bauingenieur, der eigentlich Architekt werden wollte, ließ sie verchromen, als Reminiszenz an Mies van der Rohe sowie die auf Hochglanz polierten Rapper-Felgen der Achtziger. „Drei-Prozent-Ansatz“ hieß das bei Abloh: Gerade so viel verändern, um sich den Entwurf zu eigen zu machen. Für diese Haltung wurde der Designer oft als ideenlos kritisiert. Das Gegenteil war der Fall. Abloh beherrschte die Klaviatur einer neuen Welt, die Aneignung als Werkzeug begreift und den Remix auf Augenhöhe stellt mit seinem Original. Virgil Abloh war der Spiritus Rector des Stilzitats.