Rainer Braun, Empirica : „Die Studenten wurden im Stich gelassen“
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Studentenwohnungen in Greifswald: Auch hier wird das Wohnen teurer. Bild: ZB
Der Immobilien-Experte Rainer Braun über teure Studentenbuden, WGs und Schwarmwanderungen in die Unistädte.
Die Studentenbuden sind in vielen Universitätsstädten sehr teuer geworden. Sind die Studenten, die ja normalerweise eher wenig Geld zur Verfügung haben, zu den Verlierern des Aufschwungs am Immobilienmarkt geworden?
Mobile Haushalte leiden immer am stärksten unter einer Wohnungsknappheit. Denn Neuvertragsmieten steigen schneller als Bestandsmieten. Damit sind vor allem junge Menschen betroffen: Sie gründen eine Familie und brauchen dazu mehr Platz, oder sie beziehen ausbildungsbedingt ihre erste eigene Wohnung. Studenten wurden von der Politik zudem doppelt im Stich gelassen: Weder hat man durch rechtzeitigen Ausbau der Wohnheime für die einfach vorhersehbaren Effekte der doppelten Jahrgänge vorgesorgt, noch hat man als Sofortmaßnahme das Wohngeld erhöht. Anders als die Masse der Geringstverdiener sind Studenten nämlich weniger immun gegen hohe Mieten, da sie ihre Kosten der Unterkunft in der Regel nicht im Rahmen von Arbeitslosengeld II erstattet bekommen.
Sind die teuren Studentenwohnungen nur ein vorübergehendes Phänomen, etwa wegen doppelter Jahrgänge durch G8/G9 und die Abschaffung der Wehrpflicht?
Der Wohnungsmarkt ist genauso zyklisch wie der wechselnde Run auf bestimmte Studienfächer: Das Angebot reagiert immer zeitverzögert. Der Höhepunkt scheint nun aber überschritten, der Empirica-Preisindex zeigt vielerorts schon abflauende Zuwächse. Das Mietniveau in WGs war allerdings schon immer höher, weil die größere Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft abgeschöpft wird. Und es wird auch weiterhin hoch bleiben: G8 und Abschaffung der Wehrpflicht wirken über die gesamte Studiendauer der betroffenen Jahrgänge nach. Abgesehen davon, folgt die Zahl der Studienanfänger ohnehin einem steigenden Trend, weil anteilig immer mehr Schüler Abitur machen und sich davon immer mehr für ein Studium entscheiden. Im Ergebnis gab es zuletzt eine regelrechte Schwarmwanderung junger Menschen in die Unistädte.
Kann es sich immer noch lohnen, eine Studentenwohnung zu kaufen, oder sind die Preise dafür inzwischen zu hoch?
Man hat ohnehin nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: hohe Mieten oder hohe Kaufpreise. Denn die Kaufpreise vollzogen in erster Linie „nur“ nach, was die Mieten zuvor schon vorgemacht hatten. Soweit sich keine Blase gebildet hat, ist aber auch kein Preisverfall zu befürchten. Letztlich muss man die Rechnung am konkreten Projekt aufmachen. Dabei ist hilfreich, dass Studenten auch in Quartieren wohnen (können), die ein Investor eher langweilig findet. Dort sind Preisblasen unwahrscheinlich. Vorsicht ist geboten im neuen Segment der „Betreiberwohnungen“, einer privaten Spielart der klassischen Wohnheime. Sie bieten zusätzlichen Service, sind aber teurer als normale Wohnungen. Beides muss in vernünftigem Verhältnis stehen. Empfehlenswert sind vor allem Objekte, die auch nichtstudentische Nachnutzungen ermöglichen und ausreichend Kostentransparenz bieten.
Ist es eine kluge Strategie für Hochschulanfänger, sich selbst um die Einrichtung einer Wohngemeinschaft zu kümmern?
Große Wohnungen sind je Quadratmeter immer preiswerter als kleine. Allerdings sollte man als „Kleinvermieter“ auch gewisses organisatorisches Talent besitzen (etwa bei der Abrechnung innerhalb der WG). Hinzu kommt die frühzeitige Klärung rechtlicher Fragen: Stimmt der Vermieter zu, wer steht als Mieter im Mietvertrag?
Wie sinnvoll ist es, die Wahl der Hochschule von den Zimmerpreisen abhängig zu machen?
Bildung ist eine Investition, die Rendite ergibt sich aus Kosten und Erträgen. Dabei bestimmt die Miete einen Teil der Kosten und hat die Güte des Abschlusses erheblichen Einfluss auf den Ertrag. Das Mietniveau sollte daher nicht zum einzigen Kriterium erhoben werden. Gerade in Zeiten überfüllter Hörsäle entscheiden auch der Ruf und die Qualität der Lehre über künftige Karrierechancen. Darüber informieren zahlreiche Rankings. Aber auch hier gilt das Vorsichtsprinzip: Rankings sind genauso zahlreich und verführerisch wie Anlageempfehlungen.
Die Fragen stellte Michael Psotta.