Immobilienmarkt in London : Von der Steuerinsel in die Schwarzgeld-Hauptstadt
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Im Geldwäsche-Strudel - ein Passant läuft die Treppenstufen am Londoner Silicon Roundabout hinab. Bild: Reuters
Eine Studie zeigt, dass zehntausende Häuser in London dubiosen Briefkastenfirmen gehören. Die Polizei hat seit 2004 Immobilienkäufe im Volumen von 180 Millionen Pfund untersucht - das Ausmaß der Geldwäsche dürfte aber um ein vielfaches Höher sein.
Der Immobilienmarkt in Europas führender Finanzmetropole London ist zu einem Magneten für Schwarzgeld-Milliarden aus der ganzen Welt geworden. Das ist das Ergebnis einer am Mittwoch veröffentlichten detaillierten Untersuchung der Organisation Transparency International.
Die Antikorruptionsforscher haben für ihren Bericht Grundbuchdaten und Statistiken der britischen Polizei ausgewertet: In London sind demnach mehr als 36.000 Immobilien im Besitz anonymer Briefkastengesellschaften in Offshore-Zentren wie den British Virgin Islands, Jersey und der Isle of Man. Die wahren Eigentümer sind unbekannt.
Das Vereinigte Königreich sei mit seinen laxen Geldwäschegesetzen zu einem sicheren Hafen für die „korrupten Eliten der Welt“ geworden, sagte Robert Barrington, der Geschäftsführer von Transparency International in Großbritannien. Die Organisation verweist darauf, dass bei drei Vierteln aller Immobiliengeschäfte, die auf der Insel unter Geldwäsche- und Korruptionsverdacht stehen, anonyme Briefkastengesellschaften in Steueroasen involviert seien.
Die Londoner Polizei hat laut der Studie seit 2004 lediglich 144 verdächtige Immobilienkäufe im Volumen von 180 Millionen Pfund untersucht. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung KPMG erwarben Ausländer dagegen allein im ersten Halbjahr 2014 in Großbritannien Immobilien im Wert von 24 Milliarden Pfund.
Die Wohnungen sind Parkplätze - für Geld
Ein Großteil der von Transparency International identifizierten dubiosen Offshore-Immobilien steht in teuren Londoner Innenstadtvierteln wie Westminster, Kensington und Chelsea. Hinweise auf das Ausmaß der undurchsichtigen Geschäfte im Londoner Markt für Luxusimmobilien gibt es seit Jahren: Nach Recherchen des britischen Korruptionsexperten Nicholas Shaxson wurden 2013 mehr als drei Viertel aller Wohnung im neu errichten Luxus-Appartementkomplex One Hyde Park von anonymen Briefkastenfirmen in Steueroasen gekauft.
Die Wohnungen im Nobelviertel Knightsbridge, deren Verkauf den Bauherren rund 2,7 Milliarden Pfund einbrachte, galten damals als die teuersten der Welt. Immobilienmakler schätzen, dass in London 90 Prozent aller neugebauten Wohnungen im Luxussegment von Ausländern gekauft werden.
Für Schlagzeilen sorgte auch die als Milliardärsmeile bekannte Bishop‘s Avenue im Stadtteil Hampstead. Die Zeitung Guardian enthüllte vergangenes Jahr, dass in der Straße ein Drittel aller Häuser im Schätzwert von 350 Millionen Pfund leer stehe - manche davon seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die Eigentümer nutzen die wertvollen Immobilien offenkundig nur als Parkplatz für ihr Geld, ohne je in ihnen zu wohnen. Stattdessen verfallen viele der Luxusanwesen zusehends. Auch in der Bishop´s Avenue nutzen die anonymen Eigentümer Briefkastenfirmen in Steueroasen, um ihre Identität zu verschleiern.
Enge Beziehungen zu Steuerinseln
Nach Einschätzung von Fachleuten ist es kein Zufall, dass gerade der Londoner Immobilienmarkt so viel potentielles Schwarzgeld anlockt. Wegen der hohen Häuserpreise kann dort mit einzelnen Transaktionen sehr viel Geld angelegt werden. Zugleich verspricht Großbritannien politische Stabilität und damit Investitionssicherheit.
Außerdem unterhält das Land enge Beziehungen zu halbautonomen Überseegebieten wie den Virgin Islands, den Bermudas und die Cayman Islands, sowie zu den sogenannten Kronbesitzungen Jersey, Guernsey und Isle of Man. Allesamt sind als undurchsichtige Steueroasen bekannt. Der Korruptionsexperte Shaxson beschreibt diese Geschäftsbeziehungen als ein internationales „Spinnennetz“, in dessen Zentrum die Geldverwalter in der Londoner City säßen.
Transparency International fordert strengere Publizitätspflichten, um die grassierende Geldwäsche in Londons Nobelvierteln zu bekämpfen: Aus dem Grundbuchauszug müsse hervorgehen, wem eine Immobilie letztlich gehöre. Zwar gibt es ein solches Transparenzgebot, aber es gilt nur für britische Unternehmen mit Immobilienbesitz, nicht jedoch für ausländische Gesellschaften.
Die britischen Überseegebiete weigern sich die Namen der Eigentümer von Briefkastengesellschaften offenzulegen. Transparency International empfiehlt außerdem, Immobilienmakler gesetzlich dazu zu verpflichten, ihre Kunden sorgfältiger zu überprüfen als bisher. So konnte etwa der inzwischen wegen Geldwäsche verurteile frühere nigerianische Politiker James Ibori in London unbehelligt mehrere millionenschwere Luxusimmobilien kaufen. Ibori hat als Regionalgouverneur in Nigeria Staatsgelder von geschätzt 250 Millionen Dollar unterschlagen.