Nachhaltiges Mehrfamilienhaus : Die Pläne sind da, die Nachfrage ist groß, die Genehmigung fehlt
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Die begrünte Fassade soll Staub aus der Luft filtern. Bild: Aermax
In Stuttgart soll das nachhaltigste Mehrfamilienhaus Deutschlands entstehen. An Unterstützern und Bewerbern für Wohnungen fehlt es nicht, trotzdem steht das Projekt auf der Kippe.
Max Wörner ist daran gewöhnt, Ziele anzusteuern, die andere gar nicht erst in den Blick nehmen. Der ehemalige Kletterprofi ist mit seinem Unternehmen für Industrieklettern dort tätig, wo sich die meisten nicht hinwagen, auf Kirchtürmen, an Glasfassaden oder Hochregalen. Übers Industrieklettern gelangte er auch in die Baubranche, wurde als Seiteneinsteiger zum Generalunternehmer und stellte fest: Während sich viele Industrien rasant wandeln, baut man eigentlich immer noch ähnlich wie vor hundert Jahren. „Gebäude sollen normgerecht sein, möglichst schnell fertig und eine ordentliche Rendite bringen“, sagt Wörner. Wie nachhaltig ein Neubau ist, gilt vielen in der Branche immer noch als Nebensache, obwohl das Bauen für 40Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Dass es auch anders geht, will Wörner mit dem Projekt „Triq“ in Stuttgart beweisen. Im Stadtteil Feuerbach soll das erste ganzheitlich-nachhaltige Wohngebäude Deutschlands entstehen. Die dreizehn Wohnungen mit Größen zwischen 35 und 257 Quadratmetern und eine Gewerbeeinheit sollen ohne Beton und Zement auskommen, stattdessen soll das Haus als erstes im Land ausschließlich auf Stahl gegründet werden. Der Gedanke dahinter ist, dass alle Baustoffe komplett recycelbar sein sollen und zu immerhin achtzig Prozent auch nachwachsend. Statt Zement, dessen Produktion viel CO2 verschlingt, und Verbundstoffen, die nach Abbruch eines Hauses auf dem Sondermüll landen, sollen Hanf, Lehm, Kork und Kautschuk verwendet werden. Das wichtigste Material im Triq ist, wie bei den allermeisten nachhaltigen Gebäuden, Holz. Es gilt als besonders klimafreundlich, weil es CO2 speichert.
Der Kreislaufgedanke trägt das Projekt
Allerdings kommt der Baustoff in Stuttgart nicht wie sonst üblich als Tafel oder Rahmen zum Einsatz, sondern in Form eines Quaders. Das „Triqbriq“ genannte Modul ist das Herz des Projekts. Es funktioniert ähnlich wie ein Legostein. Die Holzbausteine werden über Steckverbindungen miteinander verbunden. Dadurch lässt sich das Haus nicht nur einfach und schnell auf-, sondern auch wieder abbauen. „Die Bausteine lassen sich danach dann anderswo weiterverwenden“, verspricht Wörner. Zudem garantiert er, dass sie fünfzig Jahre sicher vor Schimmelbefall seien. Im Gegensatz zu Ziegelsteinen, die nach dem Abbruch eines Hauses meist als Zuschlagstoffe im Straßenbau landen, könnten die Triqbriqs ohne Qualitätsverlust wiederverwendet werden.
Der Kreislaufgedanke trägt das geplante Mehrfamilienhaus. Die eingesetzten Baustoffe sollen nicht nur im Triq für eine schadstoffarme und nachhaltige Wohnumgebung sorgen, sondern auch nach dem Lebensende des Gebäudes möglichst anderswo zum Einsatz kommen. Triq will eine Rohstoffbank sein und nicht der Müll der Zukunft. Schließlich stammten mehr als die Hälfte der etwa 400 Millionen Tonnen Abfall im Jahr 2018 vom Abbruch und Bau von Gebäuden. Die Mülldeponien sind nicht nur in Deutschland voll.
Auch das Bestandsgebäude, das im Moment noch auf dem Grundstück steht, soll – soweit es die vorhandenen Baustoffe zulassen – wiederverwendet werden. Für die Energie- und Wasserversorgung hat sich der Unternehmer hohe Ziele gesetzt. Mit Photovoltaik und dezentralen Speichern soll Triq seine eigene Energie erzeugen und speichern. Smarte Technologien unterstützen die Bewohner dabei, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Zudem soll das Mehrfamilienhaus seinen eigenen Wasserkreislauf bekommen, indem zum Beispiel Regenwasser aufgefangen wird und jeder Haushalt mit Hilfe einer Umkehrosmoseanlage sein eigenes Trinkwasser produziert. Große Teile der Fassade sind begrünt. Die Pflanzen sollen bis zu 30 Kilogramm Staub jährlich aus der Luft filtern.