Wohnungsgenossenschaft : Die Renaissance eines Konzepts
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Gefragte Wohnform: Die Wohnungsbaugenossenschaft „Aufbau” in Gera saniert einen Plattenbau Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Als Mischform von Miete und Eigentum werden Wohnungsbaugenossenschaften in der Krise wieder beliebt. Sie versprechen sichere Wohnverhältnisse, günstige Mieten und ein Mitspracherecht bei allen Entscheidungen rund ums Haus.
Mit seiner Wohnung hat Norbert Fürneisen das große Los gezogen: 50 Quadratmeter für 250 Euro Kaltmiete. In Köln-Ehrenfeld ist das ein Schnäppchen - die Durchschnittsmiete liegt hier mit 9 Euro pro Quadratmeter fast doppelt so hoch. Dabei bietet der Neubau dem 59-Jährigen jeglichen Komfort: Waschkeller, Fitnessstudio, Werkstatt und Partyraum gibt es gratis dazu.
Das Beste aber ist, dass Fürneisen ein lebenslanges Wohnrecht genießt. Kündigen kann er sich praktisch nur selbst. Das habe er allerdings in nächster Zeit nicht vor, sagt der arbeitslose Buchhalter: „In meiner alten Wohnung war ich einsam, erst recht ohne Job. Hier habe ich neue Freunde gefunden, mit denen ich etwas auf die Beine stellen kann.“
Wieder im Rampenlicht
Fürneisen ist Mitglied in einer Wohnungsgenossenschaft. Sichere Wohnverhältnisse, günstige Mieten und Mitspracherecht bei allen Entscheidungen rund ums Haus - für viele ist das in Zeiten der Finanzkrise wieder attraktiv geworden. „Die Menschen suchen derzeit nach Sicherheit“, sagt Theresia Theurl, Leiterin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster. „Sie wollen Unternehmen und Vermietern nicht mehr ausgeliefert sein.“
Die Genossenschaften rücken also wieder ins Rampenlicht. Es gebe inzwischen einen regelrechten Hype, hat Theurl beobachtet. Fast täglich riefen Medien an, oder Stiftungen und Unternehmen suchten Redner für Informationsveranstaltungen. „Eine solche Aufmerksamkeit habe ich noch nie erlebt.“
Gemeinnützige Einrichtungen
Dabei ist die Idee nicht neu: Jede zehnte Mietwohnung gehört einer Genossenschaft. Fünf Millionen Deutsche leben in einer von 2,2 Millionen Genossenschaftswohnungen. Als gemeinnützige Einrichtungen verfolgen diese Unternehmen nicht das Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Im Vordergrund steht das Wohl der Mitglieder. Mit dem Fördergedanken sind riskante Anlagen, die Finanzinvestoren auf den internationalen Immobilienmärkten in Verruf gebracht haben, kaum vereinbar. Wohnungsgenossenschaften sollen ihre Überschüsse für Instandhaltung, Neubau, Dienstleistungen oder die Subventionierung der Mieten nutzen.
Zu einem soliden Geschäftsmodell verpflichtet sie auch das Gesetz. Pleiten sind daher die Ausnahme. „Genossenschaften erweisen sich gegenüber anderen Rechtsformen als deutlich pleiteresistenter“, sagt Michael Bretz, Sprecher der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Bei nur 0,1 Prozent aller Insolvenzen in Deutschland handelt es sich um Genossenschaften.
Die Anteile sind günstig
Die Sicherheit kostet nicht einmal viel. Wer in eine Genossenschaftswohnung einziehen will, muss zwar Anteile erwerben - die sind aber normalerweise günstig. Über den Preis entscheiden die Mitglieder. In Köln-Ehrenfeld liegt er zum Beispiel bei 250 Euro pro Anteilsschein. Wer fünf Anteile kauft, wird Teileigentümer: macht insgesamt 1250 Euro. Tritt jemand aus, erhält er das eingezahlte Geld wieder zurück. Die Kölner seien keine Ausnahme, sagt Markus Mändle, Volkswirtschaftsprofessor am Institut für Kooperationswesen in Nürtingen: „Die Geschäftsanteile kosten oft kaum mehr als eine Kaution.“
Als nervig hingegen empfinden viele die Wartezeit. Wer umzieht, kann sich meist keine lange Zwischenlösung leisten. Doch gerade in Ballungsräumen sind die Listen derjenigen, die auf eine freie Wohnung hoffen, lang. Die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Ehrenfeld führt derzeit rund 1000 Interessenten in ihrer Kartei. Im Schnitt betrage die Wartezeit ein bis zwei Jahre, sagt der geschäftsführende Vorstand Georg Potschka. „Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot.“
Sind Genossenschaften uncool?