Das geht steil
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Haus am Deich: Verschnitt von Sattel- und Krüppelwalmdach Bild: Jan Steenblock
Einst war es Symbol einer progressiven Architektur der Nachkriegszeit. Aber wie fortschrittlich ist das Flachdach heute? Schaut man sich unter interessanten neuen Einfamilienhäusern um, fällt die Antwort ziemlich eindeutig aus.
Vor fast hundert Jahren tobte in Berlin ein Krieg um die richtige Dachform. Zwar wurde der „Zehlendorfer Dächerkrieg“ nicht mit Waffen geführt, sondern lediglich mit Häusern und Worten, aber die Kontrahenten standen sich Mitte der 1920er Jahre unversöhnlich gegenüber. Die Frontlinie verlief entlang der beschaulichen Straße „Am Fischtal“ im großbürgerlich geprägten Berliner Stadtteil Zehlendorf. Auf der einen Straßenseite bauten die Modernen – Architekten wie Bruno Taut und Hugo Häring – Häuser mit flachen Dächern. Auf der anderen Seite kamen die Konservativen zum Zug, darunter Heinrich Tessenow, Paul Schmitthenner, aber auch Hans Poelzig. Sie errichteten Ein- und Mehrfamilienhäuser mit spitz zulaufenden Satteldächern.
So friedlich, wie sich die Häuser heute an der schmalen, von Birken gesäumten Straße gegenüberstehen, erscheint es absurd, wie bitter Planer und Öffentlichkeit um ihre Gestaltung einst stritten. Doch vor hundert Jahren war das Dach mehr als nur der Abschluss eines Hauses und Schutz vor Wind und Wetter – es war Ausdruck baukünstlerischer und politischer Überzeugung. Wer flach baute, glaubte sich auf der Seite des Fortschritts und der Modernität. Die Konservativen dagegen wetterten gegen das flache Dach als Ausdruck eines „südländischen“ Baustils. Die berühmte Weißenhofsiedlung in Stuttgart wurde gar als „Araberdorf“ verunglimpft. Einige der konservativen Vertreter traten dann auch bald als überzeugte Nationalsozialisten auf.
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