Private Pools : Das große Glitzern
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Keiner hat das Jetset-Leben entlang des Beckenrands so gekonnt in Szene gesetzt wie Slim Aarons. Hier entspannt die Assistentin des Fotografen an einem privaten Pool in Marbella. Bild: Slim Aarons/Getty
Nichts glitzert im Sommer so verführerisch wie ein Pool. Er beschwört Ausschweifung und verdöstes Nichtstun. Doch am spannendsten ist die Frage, was unter der Wasseroberfläche passiert.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ein privater Pool ist nicht vernünftig. Spritzbeton ist ein Klimakiller, Wasser knapp und Chlor genauso gesund, wie es riecht. Und richtig schwimmen kann man auf einer Acht-Meter-Bahn ohnehin nicht. Aber jetzt bitte einmal die Augen schließen und dieses Glitzern vergegenwärtigen. Wie die Sonne unzählige Vielecke aufs Wasser malt, das je nach Lichteinfall zwischen Tintenblau und Knalltürkis changiert.
Im Gegensatz zu vielen anderen unnützen Dingen schwingt beim Pool auch nie die Behauptung mit, er sei eine vernünftige Anschaffung. Im Gegenteil. Er ist das in den Boden eingelassene Distinktionsmerkmal.
Während der Pöbel sich im Amerika der Zwanziger- und Dreißigerjahre in öffentlichen Bädern Schweiß und Dreck aus der Fabrik abwusch, entstand ausgerechnet im Wüstenstaat Kalifornien die amerikanische Poolkultur. Pools bildeten die perfekte Kulisse, um Hollywoodstars auch in vermeintlich privaten Situationen glitzern zu lassen. Dabei ging es nicht ums Schwimmen, noch nicht einmal um Abkühlung. Das Wasser war reine Projektionsfläche für die glamoursüchtige Masse, eine Fortsetzung der Zelluloidträume jenseits der Leinwand. Bald wollte jeder, der es sich leisten konnte, dieses Statussymbol, dessen „Zweck es war, den Garten zu verschönern und die Partys zu beleben“, wie der Architekturhistoriker Thomas van Leeuwen in seiner Kulturgeschichte der Swimming Pools „The Springboard in the Pond“ schreibt. Zum Inbegriff des kalifornischen Pools wurde das Neptunbad des Zeitungsmagnaten William Randolph Hearst, eine von griechischen Statuen und Kolonnaden umstandene Kitschversion eines antiken Bades.
Statussymbol der weißen Mittelschicht
Der Einzug des Pools in die Vorstadtgärten fiel nicht zufällig mit dem Ende der Rassentrennung zusammen. Jahrelang hatte man selbst im liberalen Norden versucht, Schwarze mit hohen Preisen und willkürlichen Schikanen aus den öffentlichen Bädern fernzuhalten. Als die Bürgerrechtsbewegung diesem Treiben ein Ende setzte, stiegen die Weißen aber nicht zu den Schwarzen ins Wasser. Stattdessen wurde der private Pool zum Statussymbol der weißen Mittelschicht, neben Straßenkreuzer und Zweitfernseher. Es wurde sogar vom Pool-Fieber gesprochen: Der „Splash“ ins Nass mit Cocktail am Beckenrand wurde zum Synonym der gelungenen Party und des verdösten Nichtstuns – einfach, weil man es sich leisten konnte.
In der Literatur wie im Film ist der Pool oft ein zweischneidiges Vergnügen: Ort der Ausschweifungen, aber nicht selten schwimmt am Ende der Party auch eine Leiche darin. Der Große Gatsby teilt dieses Schicksal mit Harry aus dem Nouvelle-Vague-Klassiker „Der Swimmingpool“, der von Jean-Paul alias Alain Delon ertränkt wird. Vielleicht noch faszinierender als das Glitzern des Wassers ist diese Ahnung, dass unter seiner Oberfläche etwas liegt, was man nicht so genau sehen kann. Das ist irrational, denn in den meisten Fällen sind es nur Pumpen, Düsen und ein paar Blätter. Aber was ist an einem Pool schon vernünftig?