Nachruf auf Beth Chatto : Wie die Ackerwinde
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Beth Chatto Bild: Rachel Warne
Sie gärtnerte mit einem konsequent ökologischen Ansatz und betrachtete die Pflanze immer als Ganzes. Zum Tod der Garten- Revolutionärin Beth Chatto.
Right plant, right place. Die richtige Pflanze am richtigen Ort. So einfach, aber auch so komplex lässt sich die Philosophie Beth Chattos zusammenfassen. Mit keinem anderen Satz wird die Britin häufiger zitiert, und mit ihm hat sie die Gartenwelt revolutioniert. Denn in Zeiten, als das Gartenideal fast ausschließlich romantischen Cottage- und Prachtrabatten voller hochgezüchteter Stauden entsprach, setzte Chatto einen vollkommen neuen Akzent. Sie gärtnerte konsequent mit ökologischem Ansatz und schaute auf die Pflanze als Ganzes: nicht nur auf die Blüte, auch auf die Struktur, das Laub, vor allem aber auf die Ansprüche. Am liebsten mochte sie Gewächse, die ihre natürliche Anmut noch nicht durch Züchtung verloren hatten.
Beth Chatto begann, solche Pflanzen zu vermehren, und eröffnete 1967 eine kleine Gärtnerei in Elmstead Market, Essex. In den 1970er Jahren stellte sie ihre Stauden bei der Chelsea Flower Show in London aus, was ihr zehn Goldmedaillen in Folge einbrachte. Sie wurde überregional bekannt. Zunächst bei pflanzeninteressierten Menschen, später erreichte sie durch ihre Vorträge und Bücher ein internationales Publikum. Beth Chatto erhielt Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen, 2002 verlieh ihr Prince Charles den Verdienstorden Order of the British Empire. Sie inspirierte eine ganze Generation von Gärtnern, darunter der britische Star-Designer Dan Pearson oder der deutsche Gartengestalter Peter Janke.
1923 als Betty Diana Little geboren, ließ sie sich zunächst zur Lehrerin ausbilden. 1946 heiratete sie den Obst-Farmer und Pflanzenfachmann Andrew Chatto. Beth betonte stets, wie wichtig seine Kenntnisse für ihre spätere Arbeit waren. Als junge Mutter widmete sie sich zunächst dem Blumenarrangieren, einer damals beliebten kreativen und sozialen Tätigkeit für Frauen. Japanische Gestaltungsregeln, die Beth Chatto kennenlernte, wandte sie später beim Design ihrer Beete an.
Sie verstand Probleme, zu einem Vorteil zu wandeln
1960 begann sie mit ihrem Garten, den sie bald für Besucher öffnete und der heute rund drei Hektar mit sonnigen, waldigen und sumpfigen Bereichen umfasst. „Pflanzen sind wie Menschen, sie haben ihre Vorlieben“, hat Beth Chatto gesagt. „Sie nehmen es schnell übel, wenn man sie einfach ins nächstbeste Loch steckt.“ Sie plädierte für genaues Hinschauen. Auch Problemzonen wie staubtrockene Erde verstand sie in einen Vorteil zu verwandeln. Denn manche Pflanzen kommen gerade mit so etwas gut zurecht. So entstand auf dem trockenen Gelände eines ehemaligen Parkplatzes der Kiesgarten, der viel kopiert, bis heute aber unerreicht ist.
Der Garten hat nicht nur ihr viel gegeben: „Es ist wunderbar, dass ich ihn teilen kann“, hat Chatto immer wieder hervorgehoben. Sie hat vorgesorgt, damit er erhalten bleibt – auch wenn es ihr, die ihr kleines Unternehmen stets fest im Griff hatte, nicht leichtgefallen ist loszulassen. Heute führen Chefgärtnerin Åsa Gregers-Warg und Direktor David Ward den Garten, die Geschäfte liegen in der Hand von Enkelin Julia Boulton. 2015 wurde eine Stiftung, der Beth Chatto Education Trust gegründet.
Eine Lieblingspflanze hatte Beth Chatto, die bis zum Schluss in ihrem Haus mitten im Garten lebte, nicht. Verwandt fühle sie sich aber der Ackerwinde, hat sie einmal gesagt. Denn die sei unverwüstlich und hartnäckig. Wer Ackerwinde im Beet hat, weiß: Sie ist gekommen, um zu bleiben. Selbst das kleinste Stückchen treibt neu aus. So ist es auch mit dem Erbe Beth Chattos.
Ein Dank an die große Gärtnerin, die am vergangenen Sonntag im Alter von 94 Jahren gestorben ist.