Erbbaurecht : Eigenheim auf fremdem Boden
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Schnäppchen? Luxuriöse Erbpachtwohnung im Münchener Stadtteil Lehel. Bild: INTERFOTO
Das Erbbaurecht lockt mit kleinen Kaufpreisen und wird immer beliebter. Aber lohnt es sich wirklich für Hauskäufer?
Das Angebot klang verlockend. Zu verlockend: Die Altbauwohnung direkt am Viktualienmarkt, im Herzen der Münchener Innenstadt, sollte 235 000 Euro kosten. Bei rund 56 Quadratmetern Grundfläche. Also nur 4200 Euro pro Quadratmeter für einen Zwei-Zimmer-Wohntraum mit Blick auf den Rathausturm. Das schien an Deutschlands teuersten Immobilienstandort ein Schnäppchen zu sein. Doch der Haken stand nur ein paar Zeilen weiter unten in der Immobilienanzeige: „Günstig durch Erbbaurecht.“ Deshalb stand der Altbautraum wochenlang im Portal. Erbpacht und Erbbaurecht, das sind für viele Kaufinteressenten immer noch Wörter, die Abschreckungswirkung haben, obwohl immer mehr Investoren, Städte und Privatleute das Erbbaurecht zurzeit neu entdecken.
Es ist, als ob diese Wörter warnten: Hände weg, hier geht es um Immobilien zweiter Klasse! Schließlich bezahlt man viel Geld, ohne dass einem Haus und Grund jemals gehören. Da kann man ja eigentlich gleich Mieter bleiben, oder? So einfach ist es nicht.
Was stimmt: Beim Erbbaurecht, oft auch Erbpracht genannt (obwohl die Erbpacht längst verboten ist), erwirbt jemand das Recht, auf einem Grundstück ein Haus zu bauen, oder er kauft eine bereits gebaute Immobilie, ohne dass ihm der Boden gehört. Der bleibt im Besitz des Grundeigentümers, der dafür eine monatliche Mietgebühr verlangt, den Erbbauzins. Der Bauherr oder Käufer besitzt also ein Haus auf fremdem Boden.
Der Besitz bleibt beim Grundeigentümer
Oft nutzen Großgrundbesitzer wie Stiftungen, Kirchen oder Kommunen diese Konstruktion, wenn sie reich an Bauland sind, es aber nicht bewirtschaften wollen. Dann überlassen sie das Bebauen denen, die das Grundstück nutzen möchten. „Auch Kommunen entdecken das Erbbaurecht dieser Tage wieder als interessante Möglichkeit“, beobachtet Matthias Nagel vom Erbbaurechtsverband. Berlin etwa will so Wohnraum für „sozial Schwächere fördern“. Zum Beispiel auf dem Flughafenareal Tempelhof, das die Stadt nicht teuer verkauft hat, sondern verpachtet. Auch Lübeck will den Bau von Einfamilienhäusern ankurbeln, und Frankfurt vergibt Wohnbau-Grundstücke nur über neue Erbbauverträge an Bauwillige. Rund 5 Prozent der deutschen Wohnfläche stehen auf fremdem Grund, schätzen Branchenkenner.
Für die Grundstücksbesitzer heißt das: Sie haben eine stetige Einnahmequelle, ohne dass sie ihren Besitz verkaufen müssten. In Zeiten steigender Immobilienpreise wäre das Verkaufen zwar lukrativ - aber weiß man, ob das Grundstück nicht bald noch mehr wert wäre? Und wo legt man das Geld in Niedrigzinszeiten wieder an? Der Pachtzins bringt jährlich 3,5 bis 5 Prozent des Grundstückswertes ein.
Die Immobilien auf Erbpachtgrund dagegen gehören ganz dem Käufer oder Bebauer. Der kann sie verkaufen, vermieten oder vererben - jedenfalls während der Vertragslaufzeit. Nur beim Umbau eines Hauses muss er meist die Genehmigung des Grundbesitzers einholen. Wird die Wohnfläche durch Anbauten größer, steigt der zu zahlende Pachtzins.
Kann man so Wohnraum für sozial Schwächere fördern?
Werden solche Verträge neu geschlossen, liegt ihr Ende meist in weiter Ferne: Erbbauverträge laufen in der Regel 99 Jahre lang. In selteneren Fällen „nur“ für 75 oder 60 Jahre. Oft haben also auch Kinder und Enkel noch etwas von den Häusern. Wer aber in einen laufenden Vertrag einsteigt, muss aufpassen: „Um 1919 und nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Immobilien im Erbbaurecht entstanden“, sagt Irene Lindner von der Erbbau-Beratungsagentur Fenus. „Etliche davon kommen jetzt auf den Markt, oder ihre Verträge laufen aus.“ Zwar erlebt die Erbbaurechtsexpertin, dass viele Verträge einfach verlängert werden, doch Ausnahmen bestätigen die Regel.
Fordert also ein Grundstücksbesitzer seinen Boden zurück, muss der Hausbesitzer auch die Immobilie abtreten. Er bekommt eine Entschädigung, deren Höhe der Vertrag beziffert. Wie viel das ist, ist abhängig vom guten Willen des Erbbaurechtsgebers: Es können 100 Prozent des Verkehrswerts sein, aber auch null Prozent. Üblich sind zwei Drittel, das übrige Drittel streichen Grundstücksbesitzer als „Aufwandsentschädigung“ ein. Zudem warnen Erbbaurechtsexperten, dass der Verkehrswert des Hauses oft nicht den Vorstellungen der Immobilienbesitzer entspricht. Die denken meist: In guter Lage steigt der Hauswert. Doch die Lage, das ist schließlich das Grundstück. Ein 100 Jahre altes Haus dagegen betrachten Gutachter oft als abgewohnt und wertlos, wenn es nicht gerade luxussaniert ist.