Neue Häuser : Eine Familiensache
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Das Dach als Terrasse: Nach dem Umbau haben die Bewohner des ersten Stocks direkten Zugang zum Garten Bild: Stefan Finger
Vor mehr als 140 Jahren baute der Urgroßvater bei Bochum ein Haus. Nun haben es die Enkelin und ihr Mann saniert - mit Rücksicht auf die ältere Generation.
Einfamilienhäuser sind Familiensache. Darauf weist schon ihr Name hin. Der Mensch baut für sich und die Seinen ein Haus, bewohnt es so lange wie möglich und vermacht es dann eines schönen Tages seinen Kindern. Von denen allerdings leben die wenigsten als Erwachsene noch im Elternhaus. Oft hat es sie in eine andere Stadt verschlagen, oder sie haben längst selbst gebaut. Vielleicht auch beides. Ein Haus, das seit mehr als 140 Jahren von den Mitgliedern einer Familie bewohnt wird, ist eher die Ausnahme; erst recht eines, in dem die Großmutter mit der Enkeltochter, deren Mann und der Urenkelin unter einem Dach lebt.

Verantwortliche Redakteurin für „Wohnen“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Es ist eine ziemliche Herausforderung, ein solches Haus im laufenden Betrieb zu sanieren und so umzubauen, dass es sowohl zeitgemäßem Wohnkomfort als auch dem Geschmack der jungen Generation entspricht, gleichzeitig aber seinen Charakter bewahrt, und der 93 Jahre alten Großmutter nicht plötzlich fremd wird. Wie das gelingen kann, hat ein junges Architektenehepaar aus Bochum gezeigt. Schon seit Studententagen leben Martina und Ole Wetterich in dem mittlerweile 142 Jahre alten Haus. Der Urgroßvater der jungen Frau hatte das Fachwerkhaus ins Brachland der Gemeinde Harpen gebaut, die damals noch eigenständig war. Dort steht es an einem steilen Hang, leicht weggedreht von der Straße. Damals stand der bescheidene Bau noch allein, ein Pionier, an dessen Ausrichtung sich all die größeren und kleineren Häuser zu orientieren scheinen, die im Laufe des Jahrhunderts folgten.
Seit Generationen in Familienbesitz
Das Haus mit seinen zwei Etagen und dem Dachgeschoss war nicht sonderlich groß, hatte im Rücken aber weitläufigen Landbesitz. Dessen größten Teil kaufte später die wachsende Stadt. Der Großvater schließlich zwackte gleich neben seinem Haus ein Grundstück ab für den Sohn, Martina Wetterichs Vater; später noch eine Parzelle für die Tochter. Heute misst der Garten immer noch gut 1000 Quadratmeter. „Da stecken eigentlich noch zwei Bauplätze drin“, sagt Ole Wetterich, schiebt aber gleich nach, dass es dann aber vorbei wäre mit dem Freiraum, den seine Frau schon als Kind erobert hat: Gemeinsam mit ihren Geschwistern, den Cousinen und Nachbarskindern sind sie damals durch die Gärten getollt, hin und her, zwischen Elternhaus, der Tante und der Großmutter, zu den Nachbarn, vorbei am Taubenschlag des Großvaters, der schon lange verwaist ist, unter den Obstbäumen durch.
Bevor sie das Haus übernahmen, bewohnte das junge Paar das Dachgeschoss und den kleineren Teil der ersten Etage. Der größere war als eigenständige Wohnung vermietet. Die Großmutter lebte im Erdgeschoss. Dort war der Wohnraum irgendwann zum Garten hin um den einstigen Ziegenstall erweitert worden - eine von mehreren Umbaumaßnahmen, die die Bewohner im Laufe der Zeit ergriffen hatten. „Jede Generation hat das Haus ihren Bedürfnissen angepasst“, sagt Ole Wetterich. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot es zeitweise achtzehn Menschen ein Dach über dem Kopf. Mitte der sechziger Jahre baute Martina Wetterichs Großvater das Haus dann in drei getrennte Wohneinheiten um. Seit dieser Zeit ist es nicht mehr nennenswert modernisiert worden.