Wegen zu hoher Mieten : Studenten werden Bauherren
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Nicht nur in Heidelberg steigen die Studentenzahlen schneller als die Wohnheimplätze. Bild: Wolfgang Eilmes
In den Uni-Städten fehlt es an bezahlbaren Wohnungen. Heidelberger Studenten sind selbst aktiv geworden und bauen ihr eigenes Wohnheim. Die geplante Miete ist so niedrig, dass das Modell Schule machen könnte.
In Heidelberg hat in den vergangenen Monaten ein selbstgebauter Container aus Holz mitten in der Innenstadt für Aufsehen gesorgt. Wer durch eines der bodentiefen Fenster des 14 Quadratmeter großen Kastens spähte, sah ein unordentlich gemachtes Bett, einen Schreibtisch und einen Schrank aus Kiefernholz. Campieren die Studenten jetzt schon in der Innenstadt?
Verwunderlich wäre es nicht, schließlich sind die Preise für Studentenwohnungen in der Universitätsstadt seit 2010 um fast ein Viertel gestiegen, und aktuell warten 1650 Kandidaten auf einen Wohnheimplatz.
Und wirklich ist der Container ein Beitrag zur Lösung des Wohnungsproblems – auch wenn er keinen echten Schlafplatz bietet. Der Kubus ist Vorbote eines Projektes, das sich Collegium Academicum nennt. Dahinter stecken 25 Studenten, die ein Wohnheim bauen möchten, in dem die Bewohner selbstverwaltet leben.
Für Baubeginn fehlen noch 600.000 Euro
Es wird aus einem Altbau und einem neuen Holzbau bestehen, rund 225 Zimmer mit vielen Gemeinschaftsflächen haben und das alles für eine Warmmiete von 300 Euro – ein Schnäppchen für Deutschlands älteste Universitätsstadt. Rund 437 Euro kostet eine durchschnittliche Studentenwohnung mit 30 Quadratmetern hier sonst, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Das sind 6 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein günstiges Zimmer zu finden ist schwierig.
Dabei ist Heidelberg bei den Mieten noch nicht einmal Spitze, in den Ballungszentren wie Frankfurt, München oder Stuttgart ist die Lage noch angespannter. In der bayrischen Landeshauptstadt kostet eine vergleichbare Wohnung etwa 634 Euro, 51 Prozent mehr als im Jahr 2010. Am stärksten sind die Mieten für Studentenbuden in der Hauptstadt gestiegen, um 67 Prozent seit 2010. Durchschnittlich 385 Euro müssen Berliner Studenten heute zum Wohnen ausgeben. Im Ruhrgebiet und in Ostdeutschland wohnen die Studenten am günstigsten, eine Vergleichswohnung kostet dort weniger als 300 Euro.
Margarete Over ist seit 2014 in Heidelberg mit dabei, die Idee vom Collegium Academicum in die Tat umzusetzen. „Wir möchten mit unserem Projekt ein Modell schaffen für gemeinschaftlichen, ökologischen und günstigen Wohnraum“, sagt die Psychologie-Studentin. Bis Baubeginn fehlen den Studenten noch rund 600.000 Euro, die sie durch Direktkredite und Spenden von Stadtbewohnern bekommen möchten. Der Container, der ein zukünftiges Zimmer ihres Wohnheims zeigt, soll helfen, die Bürger für den dringend benötigten Wohnraum zu begeistern, und so zieht er seit Monaten von einem öffentlichen Platz zum nächsten in der Stadt.
Wie knapp günstiger Wohnraum für Studenten ist, weiß auch Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks. „Seit 2008 hat die Zahl der öffentlich geförderten Studienplätze um 45 Prozent zugenommen, die Zahl der öffentlich geförderten Wohnheimplätze ist jedoch nur um rund 8 Prozent gestiegen“, sagt Grob. Doch ohne Förderung können die Studentenwerke keine neuen, bezahlbaren Wohnheimplätze schaffen, die sich an der Bafög-Wohnpauschale von 250 Euro orientieren.
Auch in Heidelberg baut das Studentenwerk gerade keine neuen Plätze. Der Bund müsse endlich in den Wohnheimbau investieren, fordert Grob. „Studenten sollen ja vor allem studieren und nicht enorme Zeit für die Wohnungssuche aufwenden müssen“, gibt er zu bedenken.
Private Investoren nutzen die hohe Nachfrage aus
In den vergangenen Jahren sind vor allem private Investoren auf dem studentischen Wohnungsmarkt tätig geworden, lassen sich mit privaten Wohnheimen doch hohe Renditen erzielen. Für hochwertig möblierte Appartements in Verbindung mit Gemeinschaftsflächen können die Anbieter Preise deutlich über dem Mietspiegel fordern. So sprießen private Luxus-Wohnheime mit wohlklingenden Namen wie „The Fizz“ („Schampus“) oder „Youniq“ („Einzigartig“) in den Ballungszentren aus dem Boden.
Die Mieten sind hoch und die Nachfrage auch, dafür sorgen weiter steigende Studentenzahlen. Es sei ein lukratives Geschäft für Investoren, heißt es in einem Marktreport des Immobiliendienstleisters CBRE. Allerdings sei ein Verdrängungswettbewerb im Luxus-Segment in Zukunft möglich, denn benötigt werde vor allem günstiger und nicht hochpreisiger Wohnraum.
Viele Anbieter zielen daher auch auf andere zahlungskräftige Gruppen: Berufseinsteiger, Singles und Pendler. Oder sie kombinieren die Wohnungen für Studenten mit Hotelzimmern, wie es etwa das niederländische Unternehmen „The Student Hotel“ macht, das kürzlich seinen ersten deutschen Standort in Dresden in einem ehemaligen Hotelgebäude eröffnet hat. Aktuell unterhält das Unternehmen rund 4400 Zimmer an elf Standorten, bis 2021 möchte es auf 17.550 Zimmer wachsen. Auch beim Dresdner „Student Hotel“ gilt: Günstig wohnen sieht anders aus, ein Zimmer kostet 595 Euro im Monat.