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Baustau : 700.000 Wohnungen genehmigt – aber nicht gebaut

  • -Aktualisiert am

Insbesondere in den großen Städten wächst der Druck auf den Wohnungsmarkt: Immer mehr jüngere Menschen ziehen in die Metropolen. Bild: dpa

Die Nachfrage nach Wohnraum nimmt immer weiter zu, ohne dass das Angebot Schritt hält. Aufträge im Wert von neun Milliarden Euro warten auf ihre Ausführung. Das hat vor allem einen Grund.

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          Der Überhang von genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen wird immer größer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stieg der Baustau in den Jahren von 2008 bis Ende 2018 von 320.000 auf fast 700.000. Damit warteten zuletzt Aufträge im Wert von neun Milliarden Euro auf ihre Ausführung. Die Auftragsbestände im Wohnungsbau hätten sich seit 2008 verdreifacht und die Umsätze auf 20,3 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Die Entwicklung der Beschäftigung hielt mit dieser Dynamik nicht Schritt: Die Zahl der Mitarbeiter am Bau stieg seit 2008 nur um 25 Prozent auf 467.000 in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten. Das Statistikamt spricht deshalb von der „Baustelle Personal“: Den Bauunternehmen fehle schlicht das Personal zur zügigen Realisierung der Bauaufträge.

          Gleichzeitig wächst der Druck auf den deutschen Wohnungsmarkt insbesondere in den großen Städten. Vor allem in die Metropolen ziehen immer mehr vor allem jüngere Menschen. Die höchsten Einwohnerzuwächse seit 2012 verzeichneten Leipzig (plus 12,9 Prozent), Frankfurt (9,5) und Berlin (8). Die Hauptstadt vergrößerte sich damit um 300.000 Einwohner, also in der Größenordnung von ganz Bonn oder Münster. Die Einwohnerzahl in Deutschland stieg innerhalb von sieben Jahren um 2,5 Millionen. Davon zog es 1,2 Millionen in die kreisfreien Großstädte, also Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Dies waren vor allem Ausländer und jüngere Menschen im Alter von 20 bis 40 Jahren auch aus dem Inland. Bei den älteren Menschen überwog dagegen der Wegzug aus den Großstädten.

          Bild: F.A.Z.

          Die Nachfrage nach Wohnraum nimmt vor allem in den Großstädten stetig zu, ohne dass das Angebot Schritt hält. Das führt dazu, dass die Großstädter enger zusammenrücken. So berichtet das Statistikamt, dass die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf zwischen 2010 und 2018 in den sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf von 40,9 auf 39,2 Quadratmeter abgenommen hat. Damit entwickeln sich die größten Städte anders als der deutsche Durchschnitt: Im ganzen Land blieb die durchschnittliche Wohnfläche zwischen 2010 und 2018 konstant bei etwas mehr als 45 Quadratmetern pro Kopf.

          Die Entwicklung in den Metropolen könnte damit zusammenhängen, dass neue Wohnungen inzwischen etwas kleiner ausfallen als früher. Das Statistikamt führt allerdings als ersten Grund an, dass der knappe Wohnraum zunehmend geteilt wird. So lebte 2010 in noch 51 Prozent der Wohnungen nur eine Person. Dieser Anteil sank bis 2018 auf 45 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der von zwei Menschen bewohnten Wohnungen von 30 auf 32 Prozent und der von drei und mehr Menschen bewohnten Wohnungen von 19 auf 22 Prozent.

          Bild: F.A.Z.

          Der Druck auf den Wohnungsmarkt zeigt sich auch in der Preisentwicklung. So verteuerten sich deutsche Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen zwischen 2008 und 2018 um 47,9 Prozent. Dabei stiegen die Preise immer stärker: Zwischen 2011 und 2014 jährlich um 3,1 bis 3,5 Prozent, seit 2015 jährlich um 4,7 bis 7,5 Prozent. Auch im Preisvergleich zeigt sich in den Metropolen eine besondere Dynamik. So verteuerten sich Eigentumswohnungen in den sieben größten Städten von 2016 bis 2018 um 23,4 Prozent und damit stärker als im restlichen Land. Aber auch in den dünn besiedelten Landkreisen kletterten die Wohnungspreise noch um etwa 10 Prozent (siehe Grafik).

          Unmittelbare Folgen hatte der Kapazitätsmangel der Bauwirtschaft auch auf die Kosten für die Instandhaltung oder Reparatur der Wohnungen. So mussten private Haushalte für dazu benötigte Erzeugnisse und Dienstleistungen 2018 rund 26 Prozent mehr bezahlen als 2008. Der allgemeine Verbraucherpreisindex nahm gleichzeitig nur um knapp 13 Prozent zu.

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