„Schwarzbuch“ veröffentlicht : Wo der Steuerzahlerbund dieses Jahr Verschwendung anprangert
- -Aktualisiert am
Eine der bislang nicht genutzten Kameras in Freiburg Bild: dpa
Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Digitalisierung: Der Bund der Steuerzahler listet hundert Fälle sorglosen Umgangs mit Steuergeld auf – zum Staunen, Schmunzeln und Ärgern.
Digitale Defizite, fragwürdige Brücken, extrem teure Toilette – der Bund der Steuerzahler spießt abermals Steuergeldverschwendung auf. „Eine konsequente digitale Modernisierung der öffentlichen Verwaltung könnte Bürgern, Unternehmen und der Verwaltung selbst viel Zeit und somit mehrere Milliarden Euro pro Jahr einsparen“, meinte sein Präsident Reiner Holznagel, als er am Dienstag die aktuelle Version des „Schwarzbuches“ vorstellte, in dem Hundert Fälle sorglosen Umgangs mit Steuergeld zu finden sind. Schwerpunkt ist in diesem Jahr der Umgang von Regierungen und Behörden mit der modernen Datenverarbeitung.
Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes verteuert der Digitalrückstand im Gesundheitswesen die Bekämpfung der Pandemie unnötig. Erst Mitte Juni 2021 sei der digitale Corona-Impfpass eingeführt worden. Da die Impfkampagne da schon mehr als ein halbes Jahr gelaufen sei, habe man Millionen Impfungen nachträglich elektronisch bescheinigen müssen. Anfangs erhielten Ärzte und Apotheker dafür bis zu 18 Euro pro Zertifikat. Später habe man die Vergütung auf bis zu 6 Euro gesenkt.
Die Interessenvertretung der Steuerzahler kritisiert auch das „IT-Chaos“ beim Bund. Seit dem Jahr 2015 arbeite die Regierung daran, ihre Behörden zeitgemäß, sicher und effizient aufzustellen. Weil die Projektfortschritte weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien, habe sie die Organisation Anfang 2020 komplett neu strukturiert. „Die Kosten der IT-Konsolidierung Bund wurden zu Beginn auf einen ,mittleren dreistelligen Millionenbetrag‘ geschätzt. Mittlerweile geht die Bundesregierung jedoch davon aus, dass das Projekt 3,4 Milliarden Euro kosten wird“, moniert der Steuerzahlerverband.
Glasfaser für die Gartenlaube
Der staatlich geförderte Breitbandausbau läuft nach seinen Erkenntnissen nicht immer so, wie es sein sollte. Beispielsweise seien im brandenburgischen Borkheide unbewohnte Gartenlauben teilweise mit Glasfaseranschlüssen im Wert von rund 16.000 Euro versorgt worden. Gewerbetreibende – wie das örtliche Hotel – seien dagegen außen vor geblieben. Im sächsischen Landkreis Bautzen habe veraltetes Kartenmaterial dazu geführt, dass Breitband in einem Gebiet mit Garten- und Wochenendhäusern verlegt worden sei; Wohngrundstücke habe man im selben Ort vergessen.
Wie immer findet man im Schwarzbuch Sachen zum Staunen, Schmunzeln und Ärgern. Aus Eslohe im Hochsauerlandkreis wird über eine neue Fußgängerbrücke geschrieben, die direkt neben einer bereits vorhandenen steht. Die Ersparnis weniger Meter und einiger Sekunden für die Fußgänger soll rund 95.000 Euro gekostet haben. In Lübeck sei der Ausbau des Fußballstadions mit der für die dritte Liga notwendigen Rasenheizung mit 1,5 Millionen Euro Steuergeld gefördert worden. Begonnen hätten die Arbeiten genau einen Tag nach dem letzten Heimspiel – da tritt der Steuerzahlerbund mit den Worten nach: „Dumm nur, dass der Verein zu diesem Zeitpunkt bereits wieder abgestiegen war.“
Viel Geld für ein öffentliches WC
In Freiburg stört er sich an Kameras, die für eine halbe Million Euro angeschafft und aufgehängt worden seien, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Sie könnten mit einem Knopfdruck eingeschaltet werden, hätten aber noch kein einziges Bild aufgezeichnet. „In Freiburg hängen 500.000 Euro auf Kosten der Steuerzahler buchstäblich in der Luft“, kritisiert die Steuerzahlerlobby. Beim Großen Bullensee nahe der niedersächsischen Kreisstadt Rotenburg (Wümme) kritisiert sie ein öffentliches WC am See – nicht die Entscheidung an und für sich, die Anlage auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen, aber die Kosten: „335.000 Euro verschlagen vielen Steuerzahlern schon die Sprache.“
Die Mischfinanzierung, bei der sich Bund, Länder und Kommunen Aufgaben und Kosten teilen, sorgt zuweilen für zusätzliche Ausgaben. Ein Beispiel findet sich auf der Insel Fehmarn. Dort sei für rund 1 Million Euro ein Aussichtsturm auf einer Hafenpromenade gebaut worden. Wie es im Bericht heißt, war er nicht wirklich nötig. „Aber durch dieses Alleinstellungsmerkmal wurde die Neugestaltung der Promenade zu 70 Prozent durch das Land gefördert.“ Das Urteil: „Aus Sicht der Kommune mag das eine gute Lösung sein, für den Steuerzahler wurde es aber unnötig teuer.“
Warnung vor Aufweichung der Schuldenregel
Ärgerlich ist für Holznagel auch folgender Fall aus Niedersachsen: Zwei Landkreise beteiligten sich an einem bundesweiten Modellversuch zu markierten Fahrrad-Schutzstreifen auf Straßen außerhalb von Ortschaften. Die Markierungen kosteten nach seinen Angaben rund 260.000 Euro. Die Erfahrungen seien vor Ort durchweg positiv gewesen. Der Bund und das Land hatten das anders gesehen und verfügt, die Teststrecken zu entfernen – was unter Protest der beiden Landkreise geschehen sei. „Kosten für den Rückbau: 763.000 Euro. Fahrradstreifen auf der Straße: 0“, urteilte er.
Der Steuerzahlerpräsident warnte die Unterhändler von SPD, Grünen und FDP. Sie dürften die Schuldenregel nicht aufweichen, zerreden oder gar abschaffen. Das jüngste Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts betonte die Verantwortung der Politik für eine faire Lastenteilung zwischen den Altersgruppen. Die Schuldenbremse sei ein Überschuldungsschutz für kommende Generationen.