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Wissenschaftsdebatte : Was ist und was kann Ordnungsökonomik?

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Gerangel um Brot: Mit Hilfe der Ordnungsökonomik lassen sich die Ursachen von Hunger und Armut besser erklären

Gerangel um Brot: Mit Hilfe der Ordnungsökonomik lassen sich die Ursachen von Hunger und Armut besser erklären Bild: AP

Für den deutschen Begriff der „Ordnungsökonomik“ gibt es im Englischen keine überzeugende Übersetzung. Dies bedeute nicht, dass die Forschungsinhalte international nicht anschlussfähig seien, argumentieren die Wissenschaftler Nils Goldschmidt, Gerhard Wegner, Michael Wohlgemuth und Joachim Zweynert.

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          Seit ihrer Begründung durch Adam Smith befasst sich die moderne ökonomische Wissenschaft mit zwei Problemen: erstens mit den Gesetzmäßigkeiten von wirtschaftlichen Prozessen; zweitens mit den Wechselwirkungen dieser Prozesse mit der sozialen Umwelt. Für die Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung kommt es auf die Erforschung beider, miteinander zusammenhängender Themenfelder an. Dreh- und Angelpunkt der modernen Ordnungsökonomik ist dabei die zweite Frage nach der „Interdependenz der Ordnungen“, das heißt nach den Wechselwirkungen zwischen den politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Institutionen einer Gesellschaft. Ordnungsökonomik ist damit ein sozialwissenschaftliches Forschungsprogramm, das wirtschaftliche Fragen als Teilfragen des gesamten gesellschaftlichen Lebens ansieht.

          In dem jüngsten Methodenstreit, der seit einiger Zeit – vornehmlich auf den Seiten der F.A.Z. – innerhalb der deutschen Volkswirtschaftslehre entbrannt ist, geht es um die Bedeutung der Ordnungsökonomik im Rahmen einer modernen Wirtschaftswissenschaft, die sich heute vor allem auf die Analyse des Wirtschaftsprozesses konzentriert und sich dabei eines mathematischen Instrumentariums bedient. Nun haben methodologische Diskussionen gerade in Deutschland Tradition, einschließlich der damit einhergehenden teils erfrischenden, teils erschreckenden Polemik. Schon im legendären Methodenstreit zwischen der deutschen Historischen Schule und den österreichischen Grenznutzentheoretikern im späten neunzehnten Jahrhundert traten die Opponenten jeweils mit dem fragwürdigen Anspruch auf, die richtige wissenschaftliche Methode zu vertreten.

          Joseph Schumpeters Verdikt, vom alten Methodenstreit bleibe kaum mehr als eine „Geschichte verschwendeter Energie“, trifft wohl in mancher Hinsicht auch auf den heutigen Disput zu. Doch drängt die jüngste Kontroverse aus unserer Sicht auf eine sachliche Diskussion folgender Fragen: Hat die Volkswirtschaftslehre ihre Spezialisierung und Mathematisierung übertrieben? Für welche Erkenntnisziele sind quantitative, formale Methoden fruchtbar? Wie kann eine moderne Ökonomik zur wirtschaftspolitischen Beratung beitragen? Dahinter stehen zwei weitere Problemkreise: Welche Studierenden fühlen sich durch das Fach Volkswirtschaftslehre noch angesprochen? Wie ist es um die Kommunikationsfähigkeit der Ökonomik mit ihren sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen und mit ihrer gesellschaftlichen Außenwahrnehmung bestellt?

          Ein Zurück zur alten Ordnungsökonomik kann es nicht geben

          Wir, vier Ordnungs- und Institutionenökonomen einer jüngeren Generation, vertreten eine differenzierte Position. Ein Zurück zur alten Ordnungsökonomik, wie sie in den 1930er Jahren von Walter Eucken, einem Ökonomen, und Franz Böhm, einem Juristen, entwickelt worden ist, kann es nicht geben. Dies ist die logische Folge des Erkenntnisfortschritts, den unsere Disziplin erlebt hat. Gleichwohl ist das ordnungsökonomische Forschungsprogramm nach wie vor aktuell. Gerade heute gibt es politisch hochrelevante Themen, die nicht den Wirtschaftsprozess allein, sondern auch das institutionelle Umfeld betreffen.

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