Wirtschaftsgeschichte : Der Weg der DDR in den Untergang
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Bild: Tresckow
„Mein Freund, der Plan“ - so lautete ein DDR-Spruch. Die Planwirtschaft hatte jedoch immanente Schwächen. Sie zehrte die volkswirtschaftliche Substanz auf. Der Wirtschaftshistoriker André Steiner über den Niedergang der DDR-Wirtschaft.
Zwanzig Jahre nach ihrem Ende erscheint manchem rätselhaft, wie die DDR-Wirtschaft angesichts grundlegender Systemdefekte überhaupt 40 Jahre existieren konnte. Am Ende erreichte die Produktivität der DDR nur in etwa ein Drittel des Niveaus der Bundesrepublik. Die Bundesrepublik bildete sowohl für die SED-Spitze als auch für die DDR-Bevölkerung immer die Referenzgesellschaft. Vor allem der westdeutsche Lebensstandard galt den Menschen in der DDR als der Maßstab. Der offensichtliche Rückstand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Konsumniveaus im Osten untergrub vom Ende der siebziger Jahre an zunehmend die Legitimität der DDR und trug wesentlich zur Erosion der SED-Herrschaft bei. Wie kam es aber zu langjähriger Stabilität und schließlich zum Niedergang?
Zur Ehrenrettung der ostdeutschen Wirtschaft wird oft auf die um ein Vielfaches größere Reparationslast unmittelbar nach dem Krieg sowie auf die strukturellen Defizite verwiesen, die durch die Teilung des deutschen Wirtschaftsraums entstanden. Das waren tatsächlich Nachteile, die neben anderen Gründen bereits bis Anfang der fünfziger Jahre zu einem Rückstand der Produktivität um ein Drittel gegenüber Westdeutschland geführt hatten. Bis zum Ende der achtziger Jahre entstand aber ein weiteres Drittel an Rückstand, das es zu erklären gilt. Viele der zur Erklärung oft angeführten Faktoren, wie der "Handelskrieg" des Westens gegenüber dem Osten oder die Forderungen der Sowjetunion an die DDR, wurden jedoch erst im Kontext der Planwirtschaft tatsächlich zu gravierenden Nachteilen.
Gravierende Informationsmängel
Diese Planwirtschaft war bewusst als Gegenmodell zum liberalen und marktverfassten System geschaffen worden. Die nach dem Krieg nicht nur im Osten anzutreffende Faszination durch die Planwirtschaft beruhte vor allem auf den historischen Erfahrungen mit den wirtschaftlichen Turbulenzen der Zwischenkriegszeit, insbesondere mit der Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre, und deren politischen und sozialen Folgen.
Jedoch hatte die Planwirtschaft grundlegende, systemimmanente Anreiz-, Informations- und Innovationsprobleme, die die wirtschaftliche Entwicklung der DDR wesentlich bestimmten: Zum einen kämpfte man mit der Schwierigkeit, den Betrieben und den Beschäftigten adäquate Anreize zu schaffen, um die Effizienz der Produktion zu steigern. Zum anderen ergab sich bei dem Versuch der Steuerung einer gesamten Volkswirtschaft ein gravierendes Informationsproblem. Auch diese beiden Momente führten zu einer systemimmanenten Innovationsschwäche.
Erhebliche Mittel aus der Sowjetunion
Die Konsequenzen dieser Defizite wurden aber lange Zeit durch verschiedene Umstände verdeckt: Erstens wies auch die Planwirtschaft gewisse Anpassungselastizitäten auf, die aber vor allem aus der Unvollkommenheit und den Lücken der Planung resultierten. Zweitens verfügte die DDR bei ihrer Gründung über ein hohes Wirtschaftspotential, das durch die Ineffizienzen erst nach und nach aufgezehrt wurde. Die Planwirtschaft war relativ gut in der Lage, die nach dem Krieg zunächst brachliegenden extensiven Wachstumsquellen zu erschließen. Erst als diese Ende der fünfziger Jahre erschöpft waren, zeigten sich zunehmend die Grenzen des Systems. Drittens flossen der DDR spätestens seit Ende der fünfziger und mindestens bis Mitte der achtziger Jahre direkt und indirekt erhebliche Mittel aus der Sowjetunion zu.
Eine wesentliche Quelle war eine indirekte Subventionierung über den Güteraustausch: Die Sowjets lieferten ihre Rohstoffe zu Preisen, die unter denen des Weltmarktes lagen; ostdeutsche Industrieprodukte hingegen nahmen sie zu Preisen ab, die sich über denen bewegten, die die DDR anderenfalls für sie auf dem Weltmarkt hätte erzielen können. Ab den siebziger Jahren kamen politisch bedingte Zuflüsse aus der Bundesrepublik dazu, auch Geld aus dem Gefangenenfreikauf. Als die Sowjetunion die DDR in den achtziger Jahren nicht mehr materiell unterstützen wollte und konnte, vergrößerten sich deren Wirtschaftsprobleme erheblich.