Wie Ökonomen über Sparpolitik denken : Heute leiden, morgen genießen
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Welches Modell bildet die Erwartungen der Menschen besser ab? Fragt man den Harvard-Ökonomen Alberto Alesina, ist die Antwort klar. Alesina hält staatliche Sparpolitik für den Königsweg zu mehr Wachstum. Allerdings unterscheidet Alesina noch einmal: Er favorisiert eine Konsolidierung der Staatshaushalte durch Ausgabenkürzungen, während er in Steuererhöhungen weniger Vertrauen setzt. Das Argument folgt dem Muster Barros. Ausgabenkürzungen signalisieren den Menschen, dass sie in Zukunft mit gar keinen oder jedenfalls geringeren Steuererhöhungen als bisher erwartet kalkulieren können. Steuererhöhungen beschneiden nicht nur die verfügbaren Einkommen der Verbraucher, sie beschneiden auch das Wachstumspotential einer Wirtschaft.
Solche Behauptungen lassen sich natürlich leicht aufstellen. Alesina beansprucht allerdings, auch die Empirie auf seiner Seite zu haben. Zusammen mit seiner Co-Autorin Silvia Ardagna hat er in einem Arbeitspapier 107 Fälle aus 21 Ländern untersucht, in denen entweder die Staatsausgaben stark ausgeweitet oder stark zusammengeschnitten wurden. Alesinas Schlussfolgerung aus dieser sehr umfangreichen Untersuchung ist klar: „Die Erfahrung der vergangenen 40 Jahre legt nahe, dass Ausgabensteigerungen, die das Wirtschaftswachstum anregen sollen, und Steuererhöhungen, die Staatsdefizite verringern sollen, ihre Ziele kaum erreichen werden.“ Stattdessen liege es nahe, die entgegengesetzte Strategie - Ausgabenkürzungen und Steuersenkungen - anzuwenden.
Alesina hatte im vergangenen Jahr Gelegenheit, seine Ansichten den führenden europäischen Politikern vorzutragen. Cwik und Wieland kommen in einer vorläufigen Untersuchung der Krisenjahre 2008 und 2009 ebenfalls zu dem Schluss, dass auf der Basis der modernen makroökonomischen Modelle „eine starke Begründung für Kürzungen von Staatsausgaben“ vorliegt, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Diese Programme müssten rechtzeitig und klar kommuniziert werden.
Die bisher beschlossenen Sanierungsprogramme sind ein Sammelsurium
Es ist ideengeschichtlich interessant, dass sich in Keynes' Werk Hinweise auf die moderne Auffassung im Sinne von Barro und Alesina finden. Keynes hatte zwar expansive Finanzpolitik in Krisen befürwortet. Aber er hatte nicht auf höheren Staatsausgaben bestanden, sondern auch Steuersenkungen als eine Möglichkeit betrachtet. Vor allem aber war Keynes ein Gegner permanenter Neuverschuldung, die für ihn gleichbedeutend war mit einer Verunsicherung von Konsumenten und Unternehmern. Deshalb sah er es als wichtig an, nach einer Phase der Neuverschuldung durch die Kürzung öffentlicher Investitionen die Staatsausgaben wieder zurückzuführen.
Den bisher beschlossenen Sanierungsprogrammen in der europäischen Peripherie liegt keine lang durchdachte einheitliche Strategie zugrunde. Daher bestehen sie aus einem Sammelsurium an Maßnahmen, zu denen neben Ausgabensenkungen auch Steuererhöhungen gehören. Zudem sind in mehreren Ländern weitere Schritte wünschenswert, sowohl was die Stabilisierung der Staatsfinanzen als auch die angebotspolitischen Schritte auf dem Weg zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit betrifft.
Aber gemessen an der modernen Sichtweise geht die Sparpolitik in der Peripherie zumindest in die richtige Richtung. Das könnte zur Folge haben, dass sich die dortigen Volkswirtschaften schneller aus ihrer Krise erholen werden, als heute von vielen Pessimisten erwartet wird.