Studien : Warum Frauen Probleme mit der Work-Life-Balance haben
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Im Planschbecken. Bild: dpa
Das Bild von Elternschaft hat sich gewandelt, dennoch übernehmen Frauen öfter als Männer die Kinderbetreuung. Forscherinnen haben dafür jetzt einen Grund gefunden, über den bisher noch nicht gesprochen wurde.
Durchs Internet geistert immer wieder ein Comic: Die Zeichnung zeigt, wie ein Vater sein Baby in die Luft wirft und wieder auffängt. Einmal sieht man das aus der Sicht des Babys, dem alles viel zu niedrig ist. Und dann aus der Perspektive der Mutter, die das viel zu hoch findet und Angst bekommt.
Das Comic könnte mehr über das Verhältnis von Vätern und Müttern aussagen, als man denkt – und über ihre beruflichen Vorlieben. Das ist zumindest die Schlussfolgerung aus einigen neuen Studien, die in den vergangenen Tagen erschienen sind: Frauen scheuen Risiken eher als Männer, und das macht ihnen Schwierigkeiten, wenn es um die Familie geht.
Das Elterngeld hat das Bild von Elternschaft geändert
Tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahren das Bild von Elternschaft in der Öffentlichkeit gewandelt. Dass Väter Elternzeit nehmen, wird öfter akzeptiert – über alle Generationen hinweg. Das hat auch mit dem Elterngeld zu tun, das vor zehn Jahren eingeführt wurde und das junge Familien nur dann vollständig bekommen, wenn jedes Elternteil mindestens zwei Monate mit der Arbeit aussetzt.
Das Elterngeld hat tatsächlich die Einstellungen zu Familie und Elternzeiten verändert, und zwar bis in die Großelterngeneration, wie die Ökonominnen Ulrike Unterhofer und Katharina Wrohlich am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt haben. Ihrer Untersuchung liegt eine Umfrage zugrunde, für die mehr als 12.000 Deutsche sowie deren Partner, Eltern und Kinder befragt wurden: drei Generationen. Spannend wird es für die Familien, in denen um die Elterngeld-Einführung herum ein Kind geboren wurde.
Gab es für das Baby Elterngeld, finden Großeltern die Karriere von Frauen plötzlich wichtiger als ohne Elterngeld. Das messen die Forscher an der Zustimmung zum Satz „Frauen sollten sich mehr um ihre Familie kümmern als um ihre Karriere.“ Mit Einführung des Elterngelds stieg der Anteil der Großmütter, die diesem Satz widersprechen, um 20 Prozentpunkte. Auch bei Großvätern veränderte sich die Einstellung, allerdings weniger deutlich.
Mütter scheuen das Risiko
Die gesellschaftlichen Erwartungen haben sich also verändert, trotzdem nimmt nur ein kleiner Teil der Väter Elternzeit. Die wenigen, die es tun, bleiben meist bei zwei Monaten. Umgekehrt nehmen mehr als 80 Prozent der Mütter nach der Geburt ein volles Jahr Elterngeld in Anspruch, danach arbeiten sie durchschnittlich weitere acht Monate lang nicht.
Viele, vor allem hoch qualifizierte Frauen, bekommen stattdessen gar keine Kinder: Sie haben Probleme mit der Work-Life-Balance. Tatsächlich sind Work-Life-Balance-Probleme bei höher qualifizierten Deutschen verbreiteter als bei niedriger qualifizierten. Das liegt nicht nur daran, dass höher qualifizierte Stellen oft mehr Arbeitszeit verlangen, sondern auch daran, dass der Stress aus der Arbeit häufig in das Privatleben überschwappt und der Beruf eher unter privatem Stress leidet. Dazu kommt, dass in höher qualifizierten Berufen oft mehr Rationalität und Kompromisslosigkeit erwartet wird: ganz anderes Verhalten als in der Familie. So haben es frühere Studien erfragt.
Das Risiko entscheidet
Zwei andere Forscherinnen haben jetzt nachgewiesen: Hochqualifizierte Frauen tun sich mit der Work-Life-Balance schwerer als hochqualifizierte Männer – und das liegt nicht zuletzt daran, dass Frauen Risiken scheuen.
Risiken sind alltäglicher Teil der Kindererziehung. Riskieren die Eltern, dass ein Kind beim Laufen lernen hinfällt, oder fangen sie es auf? Riskieren sie, dass sie das Kind zehn Minuten zu spät aus dem Kindergarten abholen, oder kommen sie lieber eine Viertelstunde zu früh? Ständig haben Eltern solche Entscheidungen zu treffen. Risiken sind aber auch alltäglicher Teil vieler hochqualifizierter Tätigkeiten: Ärzte müssen entscheiden, ob sie noch eine zusätzliche Untersuchung anordnen oder sie weglassen. Angestellte müssen entscheiden, ob sie das Risiko eingehen, eine Aufgabe ihres Chefs noch liegen zu lassen – schließlich schließt der Kindergarten bald.
Eine Studie der Ökonominnen Anne Busch-Heizmann und Elke Holst zeigt: Wer Risiken scheut, hat mehr Probleme mit der Work-Life-Balance. Das ermitteln sie aus dem sozio-ökonomischen Panel, einer jährlichen Umfrage unter mehr als 20.000 Deutschen. Die Umfrage zeigt: Frauen fühlen sich auch häufiger unterbezahlt als Männer und bei der Arbeit oft nicht angemessen gewürdigt. Aber: Entscheidend für die Work-Life-Balance ist, wie man mit Risiken umgeht. Risikoscheue Männer fühlen sich ebenso zwischen Arbeit und Familie zerrissen wie risikoscheue Frauen. Allerdings sind es die Frauen, die Risiken häufiger aus dem Weg gehen – und in der Folge größere Probleme mit der Work-Life-Balance haben.
Schon die Eltern fangen an
Dass Frauen nicht so gerne Risiken eingehen wie Männer, ist seit Jahren bekannt. Woran das liegt, ist noch offen.
Es ist eine dritte neue Studie, die den Schluss erlaubt: Es fängt früh an. Ein Forscherteam der Universitäten Warwick und Harvard hat Eltern in Großbritannien und der Ukraine untersucht – und in beiden Ländern festgestellt: Schon während der Schwangerschaft scheuen die Eltern Risiken mehr, sobald sie wissen, dass das Baby ein Mädchen wird.