Wachstumsprognosen : Das Versagen der Ökonomen
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Scheinbar exakte Prognosen wie für das Wirtschaftswachstum sind eine Mischung aus Alchemie und Wissenschaft Bild: dpa
Wenn Wirtschaftsforscher Wachstumsprognosen abgeben, ist das Quatsch. Sie können nicht in die Zukunft blicken. Wie sie es trotzdem versuchen und was sie stattdessen tun sollten.
Im Zuge der Wirtschaftskrise sind die Unzulänglichkeiten wirtschaftswissenschaftlicher Beratung deutlich zutage getreten. Die Politiker trauen den Experten nicht mehr. Die Kanzlerin fährt lieber „auf Sicht“, statt auf Meinungen der Ökonomen zu hören, und der Finanzminister fertigte jüngst öffentlich einen seiner wichtigsten Berater ab. Nun liegt wieder einmal die jahreszeitlich übliche Prognose der „führenden“ Wirtschaftsforschungsinstitute vor. Hat sie einen Wert? Scheinbar exakte Prognosen wie die diese Woche vorhergesagten 1,8 Prozent Wachstum für 2014 sind nicht hilfreich; solche Vorhersagen stehen, wie ich hier zeigen möchte, auf äußerst dürftiger wissenschaftlicher Grundlage.
In Deutschland gibt es etwa 40 Millionen Haushalte und 2 Millionen Unternehmen. Im Prinzip kann man ein ökonomisches Modell aufstellen, das die Ziele und Interaktionen der Akteure durch mathematische Gleichungen beschreibt. Trotz der Komplexität kann man damit wichtige ökonomische Sachverhalte und philosophisch grundlegende Fragen der Volkswirtschaftslehre klären. Hierzu gehören etwa die Rolle der Preise und des freien Wettbewerbs.
In diesem Modell kann man aber kein Wirtschaftswachstum berechnen, da es viel zu komplex ist. Daher war und ist es üblich, die Modelle stark zu vereinfachen – zu stark. Statt mit 40 Millionen rechnet man mit einem „repräsentativen“ Haushalt, nennen wir ihn mal die „Deutschland-WG“; statt mit 2 Millionen mit ein paar Unternehmen oder gar nur einer Firma, der „Deutschland-GmbH“.
Der Finanzmarkt fehlt im Modell
Man braucht keine wissenschaftliche Ausbildung, um ein Modell, in dem die Deutschland-GmbH für die Deutschland-WG produziert, als Abbild der deutschen Volkswirtschaft doch etwas dürftig zu finden. Es kommen aber noch weitere Annahmen hinzu, die das Modell als Basis empirischer Prognose schwächen. Zu diesen gehört der in letzter Zeit oft diskutierte Homo oeconomicus: es wird angenommen, dass die Deutschland-WG rationale Erwartungen über lange Zeiträume bildet und sich unter allen Umständen optimal verhält. Der Urlaub 2050 ist schon geplant, um es kurz zu sagen, und zwar für alle Szenarien, die sich bis dahin einstellen mögen.
Auch in anderer Hinsicht sind die verwendeten Modelle zu stark vereinfacht. Die letzten Jahre haben uns mit brutaler Deutlichkeit vor Augen geführt, dass die Finanzmärkte sehr große Auswirkungen auf Arbeits- und Gütermärkte haben. Doch die Modelle der Wirtschaftsforschungsinstitute enthalten keinen Finanzmarkt! Es wurde argumentiert, dass die Effizienz der Finanzmärkte dazu führt, dass sie keinen realen Einfluss auf die makroökonomischen Daten haben. Lediglich gewisse makroökonomisch für wichtig gehaltene Größen kommen in den Modellen vor, die Wechselkurse etwa oder das Zinsniveau. Es fehlen aber Banken, insbesondere Investmentbanken; von der Möglichkeit eines Bankrotts ganz zu schweigen. Natürlich gibt es auch keine Ratingagenturen und keine Kreditderivate, die ja die Krise auslösten. Deshalb wurden 2008 die Institute auch überrascht: Wer den Finanzmarkt nicht im Modell hat, kann eine Finanzkrise nicht kommen sehen.