Studie : Sex Sells? Stimmt nicht!
- -Aktualisiert am
Hier wirbt Eva Mendes. Gucken Sie an diesem Plakat noch auf die Marke? Bild: Picture-Alliance
Wer mit nackter Haut wirbt, verkauft mehr: Nach diesem Grundsatz entstehen viele Werbeplakate. Allerdings: Zurückhaltung wäre für die Unternehmen besser.
Plötzlich hing sie an den Kreuzungen und Bushaltestellen: Anna Nicole Smith, „Playboy“-Playmate, in Unterwäsche. Es war der Advent 1993 und die Modekette H&M hatte sie zur Werbefigur erkoren. Sie erregte Aufmerksamkeit. Talkmaster Johannes B. Kerner klaute sogar eines der Plakate. Und es wird ihr nachgesagt: Sie hat mit dem Plakat mehrere Verkehrsunfälle verursacht. Für H&M hatte diese Geschichte aber ein Problem: Wer gerade einen Verkehrsunfall klären muss, geht so schnell keine Unterwäsche kaufen.
Das ist der Kern hinter einer neuen Studie aus den Vereinigten Staaten. An der Universität des Staates Ohio haben zwei Psychologen einen Überblick über mehr als 50 psychologische Experimente mit mehr als 8000 Teilnehmern geliefert. In der renommierten Fachzeitschrift „Psychological Bulletin“ berichten sie über ihren Schluss: Der Spruch „Sex sells“ ist ein großer Irrtum.
Robert B. Lull und Brad J. Bushman haben nicht nur die Wirkung von Sex untersucht, sondern auch von Gewalt. Sie betrachteten Fernsehspots in Kriegsfilmen ebenso wie Anzeigen mit leicht bekleideten Models. Das Ergebnis war immer das gleiche: Je stärker Sex und Gewalt ausgeprägt sind, desto weniger bringt die Werbung den Unternehmen.
Da haben wahrscheinlich viele Unternehmen ihr Werbegeld umsonst ausgegeben. Dabei war ihre Überlegung eigentlich gar nicht falsch: Menschen gucken hin, wenn es um Sex und Gewalt geht – und zwar gerade die jungen Leute, um die sich die Werbung so reißt. Evolutionspsychologen erklären das mit einfacher Evolution: Wer überleben will, muss vor allem aufpassen, dass er Gewalt meidet und Chancen zur Fortpflanzung nutzt. Also sorgen Sex und Gewalt immer für Aufmerksamkeit. Zugegeben, diese Erklärung klingt schrecklich simpel, aber sie wird immer wieder unterfüttert: Sex und Gewalt erregen umso mehr Aufmerksamkeit, je mehr sich die Menschen ums Überleben sorgen.
Sex lenkt ab
Das Problem in der Werbung ist: Die Aufmerksamkeit wird wohl zu groß. Wenn Männer auf Anna Nicole Smith gucken, sind sie so beschäftigt, dass sie sich nicht mehr daran erinnern, von wem das Logo unten in der Ecke war (und ja, das betrifft vor allem Männer.) Gleichzeitig nehmen es ältere Leute dem Unternehmen oft übel, wenn es mit Sex und Gewalt wirbt: Sie erinnern sich eher daran, wer es war – und beschließen dann, dort nicht einzukaufen.
Wahr ist: Anna Nicole Smith hat viel Aufmerksamkeit überhaupt erst auf das Plakat gelenkt. Das aber reicht nicht. Je emotionaler die Werbung und ihr Umfeld sind, desto weniger nützt Werbung. Das gilt sogar für den amerikanischen „Super Bowl“, Amerikas Fernseh-Highlight, in dessen Pause immer besonders ausgefeilte Werbespots gezeigt werden. Eine frühere Studie hat gezeigt, dass in den Jahren 2012 und 2013 ganze 80 Prozent der Spots keinen Einfluss auf das Kaufverhalten der Zuschauer hatten.
Offenbar bemerkt das inzwischen auch der eine oder andere Werber in der Praxis. Die amerikanische Supermarktkette Wal Mart will sogar ausgerechnet haben, dass ihre Werbespots mehr bringen, wenn das umliegende Programm nichts mit Sex und Gewalt zu tun hat. Amerikas Präsident Barack Obama warb in Videospielen um Wähler – aber nur in solchen ohne Gewalt.
Vielleicht aber kommt die Erkenntnis genau zum falschen Zeitpunkt. Die Forscher stellen nämlich auch fest, dass der negative Effekt von Sex mit den Jahren immer kleiner wird. Die beiden halten es für möglich, dass sich die Menschen mehr und mehr an den Anblick von nackter Haut gewöhnen und sich davon nicht mehr so ablenken lassen wir vorher – vielleicht gucken sie dann aber auch von vornherein nicht mehr so oft hin.
Übertrieben fand jedenfalls der nordrhein-westfälische Straßenbau-Betrieb am Ende ein Verbot von sexueller Werbung. Im Jahr 2007 entschied die Behörde nach einiger Diskussion, ein Werbeplakat an Straßen zu erlauben, auf dem ein Liebesakt zu sehen war. Die Unfallgefahr hielt der Straßenbau-Betrieb am Ende doch für zu klein. Das Plakat zeigte eine antike griechische Vase und warb für eine Museumsausstellung.