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Geld : Steine sind so gut wie Gold

Steingeld wurde selbst gar nicht zwingend weiterbewegt. Es genügte, dass alle wussten, wem es gehört

Steingeld wurde selbst gar nicht zwingend weiterbewegt. Es genügte, dass alle wussten, wem es gehört Bild:

Die Finanzkrise hat hier und da die Frage aufgeworfen, ob nicht eine Rückkehr zu einem durch Edelmetalle oder Rohstoffe gedeckten Geld empfehlenswert wäre. Davon träumen viele Goldliebhaber. Eine kleine Insel im Pazifik namens Yap liefert verblüffende Lektionen über solides Geld.

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          Die Finanzkrise hat hier und da die Frage aufgeworfen, ob nicht eine Rückkehr zu einem durch Edelmetalle oder Rohstoffe gedeckten Geld empfehlenswert wäre. Davon träumen nicht zuletzt viele Goldliebhaber. Freilich, wen es nach einem aus einem physischen Gut bestehenden Geld gelüstet, könnte sich auch mit Steinen begnügen. Auf einer Pazifikinsel hat das jedenfalls sehr gut funktioniert.

          Gerald Braunberger
          Herausgeber.

          Die kleine Insel Yap mit ihren damals rund 5000 Bewohnern gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum deutschen Kolonialreich. Im Jahre 1903 verschlug es den amerikanischen Völkerkundler William Henry Furness auf das Eiland. Seine Erkenntnisse über das Geld der Inselbewohner wären wohl längst vergessen, wenn nicht der Nobelpreisträger Milton Friedman einen Aufsatz über das sogenannte Steingeld der Eingeborenen von Yap verfasst hätte. Darin zitiert er Furness: "Da es auf ihrer Insel keine Metalle gibt, verwenden sie stattdessen Steine; Steine, die unter großem Arbeitsaufwand gewonnen und bearbeitet werden und ein genauso gutes Symbol für Arbeit darstellen wie die von der zivilisierten Welt verwendeten Münzen aus Metallen."

          Das Loch im Stein ermöglicht den Transport

          Über dieses Geld heißt es: "Ihr Tauschmittel nennen sie fei. Es besteht aus großen, massiven Steinscheiben mit einem Durchmesser von einem bis zwölf Fuß und mit einem Loch in der Mitte, das je nach Durchmesser des Steins verschieden groß ist. Durch dieses Loch lässt sich eine entsprechend dicke und starke Stange schieben, die das Gewicht des Steins zu tragen vermag und auf diese Weise den Transport ermöglicht."

          Bild: FAZ.NET

          Im Internet verfügbare Fotos belegen, dass diese Steinscheiben zum Teil ziemlich wuchtig und sicherlich nicht leicht zu transportieren waren, zumal befestigte Wege oder Straßen auf Yap damals unbekannt waren. Der für die fei verwendete Kalkstein wurde auf einer 400 Meilen entfernten Insel gefunden und von dort mit erheblichen Mühen und unter großen Gefahren in Kanus und auf Flößen nach Yap gebracht.

          Aber das Geld wurde auf Yap selbst meist gar nicht mehr weiterbewegt. Einigten sich zwei Inselbewohner über ein Geschäft, verblieb der fei häufig im Garten des Käufers. Es genügte völlig, dass alle Bewohner wussten: Dieser fei steht zwar weiterhin im Garten des Käufers, aber er gehört in Wirklichkeit dem Verkäufer.

          Der Stein auf dem Meeresgrund

          Kurios wirkt noch ein anderer Fall. Eine Familie genoss den Ruf, besonders vermögend zu sein, aber auf ihrem Anwesen befand sich nicht ein fei! Das Vermögen bestand, wie Furness berichtet, "aus einem gewaltigen fei, dessen Größe nur durch Überlieferung bekannt sei. Seit zwei oder drei Generationen liege er auf dem Meeresgrund." Dieser fei war während des Transports von seiner 400 Meilen entfernt liegenden Insel nach Yap in einem Sturm verlorengegangen. "Nach der Rückkehr bezeugten alle, der fei sei von prächtigem Ausmaß und außerordentlicher Güte gewesen und ohne jegliche Schuld seines Eigentümers verlorengegangen. Daraufhin wurde in schlichtem Treu und Glauben eingeräumt, der schiere Zufall seines Versinkens im Meer sei nicht einmal der Rede wert, und ein paar hundert Fuß Wasser vor der Küste dürften seinen Handelswert nicht schmälern, da er schließlich in gebührender Form geschlagen worden sei. Die Kaufkraft jenes Steins bleibt daher genauso gültig, als lehnte er sichtbar an der Wand des Hauses seines Eigentümers."

          Man mag in einer ersten Reaktion dazu neigen, die braven Leutchen auf ihrer Insel für leicht übergeschnappt zu halten. Aber, so fragt Friedman zu Recht, ist es zu Zeiten der Edelmetallwährung nicht genauso gewesen? Der britische Philosoph und Nobelpreisträger Bertrand Russell warf in seinem Essay "Der moderne Midas" vor Jahrzehnten die Frage auf, was eigentlich vernünftig daran sei, unter großen Mühen und Gefahren Gold aus dem südafrikanischen Erdboden zu fördern, um dieses Gold dann in Barrenform im amerikanischen Fort Knox wieder auf Nimmerwiedersehen im Erdboden verschwinden zu lassen.

          Friedman fasst diesen Punkt so zusammen: "Die Bewohner der Insel Yap betrachteten die Steine, die sie auf einer weit entfernten Insel aus dem Steinbruch geholt und auf ihre eigene Insel transportiert hatten, als konkret sichtbares Zeichen ihres Vermögens. Mehr als hundert Jahre lang sah die ,zivilisierte' Welt Metall, das aus tiefen Erdschichten geschürft, mit riesigem Aufwand gereinigt, über große Entfernungen transportiert und dann erneut tief unter der Erde in Tresorräumen verwahrt wurde, als ein konkret sichtbares Zeichen ihres Vermögens an. Ist die eine Gepflogenheit tatsächlich vernünftiger als die andere?"

          Natürlich kennt Friedman die Antwort auf seine Frage: Sie lautet: nein. Hier ist seine Begründung: "Beide Beispiele - und hier ließen sich zahlreiche weitere nennen - verdeutlichen, welch wichtige Rolle äußerer Anschein, Illusion oder ,Mythos' und gegebenes uneingeschränktes Vertrauen in Geld spielen." Am Ende des Tages ist Geld das, was die Menschen als Geld akzeptieren - ob Steine, ob Gold, ob Banknoten oder modernes ungedecktes Geld, das ganz überwiegend nur noch in Form von Bits und Bytes in Computern existiert.

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