Ökonomen-Rangliste : Ernst Fehr an der Spitze der Ökonomen
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Ernst Fehr Bild: Foto Reto Oeschger/Tages-Anzeiger
Die F.A.Z.-Rangliste der besten Wirtschaftswissenschaftler zeigt, welche Forscher wirklich Einfluss haben. Nicht jeder davon ist aus Talkshows bekannt.
Die F.A.Z.-Einflussrangliste der Ökonomen hat einen neuen Sieger. Nachdem Vorjahressieger Hans-Werner Sinn in den Ruhestand gewechselt ist, hat Ernst Fehr von der Universität Zürich die Spitze übernommen. Fehr gehört nicht zu den bekannten Größen aus Talkshows und der Politik, hat aber mit seiner Grundlagenforschung zu Fairness die ökonomische Verhaltensforschung erheblich weitergebracht und übt so enormen Einfluss auf das wirtschaftliche Denken aus. Damit spiegelt die Rangliste wider, dass nicht nur die bekannten Politikberater mit ihren Ansichten wirken, - sondern auch die Ökonomen, die manchmal weniger bekannt sind, aber mit ihrer Grundlagenforschung den Weg bereiten für andere Ökonomen, die diese Ideen dann in die politische Praxis bringen.
Die F.A.Z.-Liste kombiniert diese unterschiedlichen Welten und zeigt auf diese Weise, welche Ökonomen in Deutschland besonders viel Einfluss haben. Für die Ranglistenposition zählt, ob ein Forscher in den Medien Gehör findet, von Politikern als Ratgeber geschätzt wird und in der Wissenschaft Impulse gibt, die andere Forscher dazu bringen, die Arbeiten zu zitieren.
„Die letzten Jahre haben gezeigt, wie wichtig es für Politik und Gesellschaft ist, volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Es sollte daher in meinen Augen mehr als selbstverständlich sein, dass Volkswirte ihre Erkenntnisse nicht nur ihrem eigenen Fachpublikum, sondern auch der Allgemeinheit in einer verständlichen Form zur Verfügung stellen“, sagt Jan-Egbert Sturm, der Leiter der Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich (KOF). „Diese Rangliste zeigt, dass Volkswirte bemüht sind, ihr Wissen nach außen zu tragen. Sie schafft zudem Anreize und Transparenz.“ Die KOF kooperiert in diesem Jahr erstmals für die Rangliste mit der F.A.Z.: In den kommenden Wochen wird eine eigene Rangliste junger Ökonomen erscheinen, die in Gemeinschaftsproduktion entsteht.
Die Forschung zählt doppelt
Die Daten erhebt die F.A.Z. zudem in Zusammenarbeit mit dem Medienforschungsinstitut Media Tenor International, dem Verein für wissenschaftliche Politikberatung Econwatch, der Universität Düsseldorf, der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften in Hamburg und dem Wissenschaftsverlag Elsevier. In der Gesamtverrechnung zählen der Einfluss in Medien und Politik je einfach, der in der Forschung doppelt.
Auf diese Weise kommt Ernst Fehr in diesem Jahr erstmals ganz nach vorne: Politiker nennen ihn kaum als Ratgeber, Journalisten berichten nur selten über seine Meinung. Mit der deutschen Wirtschaftspolitik befasst er sich so gut wie nie. Doch seine Grundlagenarbeit hat den Blick der Ökonomik auf die Menschen verändert. Verhaltensökonomen wie er haben der Welt beigebracht, dass die Menschen doch nicht immer hyperrational entscheiden. Manchmal machen sie Fehler. Oft entscheiden sie sich nicht nach ihrem reinen Eigennutz. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie selbst unfair bevorzugt werden, dann geben sie auch mal etwas ab. Und wenn sie sich benachteiligt fühlen, dann ignorieren sie allen materiellen Eigennutz und werden trotzig.
Fehr gehört zu den herausragenden Forschern dieser Disziplin, er spricht selbst auf Wissenschaftlertagungen von Psychologen und gilt als Kandidat für den Nobelpreis - andere Vertreter der Disziplin sitzen inzwischen schon im Kanzleramt, um die Politik zu beeinflussen.
Auch in Österreich und der Schweiz ganz vorne
Fehr setzt sich damit nicht nur in Deutschland an die Spitze. Auch in Ranglisten der „Neuen Zürcher Zeitung“ für die Schweiz und der „Presse“ für Österreich, die nach den gleichen Regeln berechnet werden - in allen Ländern steht Fehr vorne.
Dagegen kam der ehemalige Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, im Jahr seiner Pensionierung nicht mehr an. Was Medienpräsenz angeht, wurde Sinn in den vergangenen zwölf Monaten von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, überholt: Fratzscher versuchte diesen Frühling mit einem großen Buch auf den Zug der Debatte über Armut und Reichtum aufzuspringen. Das hat ihm manches Medienzitat eingebracht - aber nicht den Spitzenplatz in unserer Rangliste. Denn sein politischer Einfluss bleibt hinter der medialen Wirkung zurück. Politiker und Ministerialbeamte in Deutschland nennen häufiger andere Ökonomen als wichtige Berater: ganz vorn Clemens Fuest, den neuen Präsidenten des Ifo-Instituts. Dank seines politischen Einflusses schiebt er sich dieses Jahr auf Rang drei, Fratzscher fällt auf Rang vier zurück.
Immer häufiger in den Medien
Dass Fratzscher mit seiner Medienoffensive in der Rangliste nicht weiter nach oben kommt, liegt auch daran, dass andere Ökonomen in den Medien ebenfalls mehr Gehör finden. „Ökonomen werden in Deutschlands Meinungsführermedien immer häufiger aufgegriffen“, sagt Tobias Thomas vom Kooperationspartner Media Tenor International. „Im Jahr 2012, bevor das Ranking eingeführt wurde, lag der Anteil von Wissenschaftlern in der Berichterstattung zu Wirtschaft und Wirtschaftpolitik noch bei 1,9 Prozent. Seitdem hat er sich auf 4,8 Prozent mehr als verdoppelt.“
Ob das einen zusätzlichen Einfluss von Ökonomen auf die Politik bringt, ist aber unklar. Nicht immer finden Wirtschaftsforscher politisches Gehör. Zuletzt setzte sich Sigmar Gabriel über den Rat seiner Monopolkommission hinweg und erlaubte die Fusion der Supermarktketten Edeka und Kaiser’s Tengelmann - die Art und Weise, wie er das tat, beschert ihm jetzt Ärger mit der Justiz. Wegen dieser Erlaubnis trat der Vorsitzende der Monopolkommission, der Jurist Daniel Zimmer, zurück. Sein Nachfolger Achim Wambach ist der große Aufsteiger der diesjährigen Rangliste: von Rang 39 auf 10. Denn Wambach ist nicht nur in der Monopolkommission präsenter geworden. Er hat zudem die Leitung des Mannheimer „Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ übernommen - und er bekommt mehr Gehör in der Debatte um die Marktmacht von Google, Facebook und anderen Konzernen.