Etwas mehr Anerkennung, bitte! : Der Mensch arbeitet nicht für Lohn allein
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Gut - aber nicht gut genug Bild: DIETER RÜCHEL
Geld ist als Lohn zwar wichtig, aber längst nicht alles. Kluge Firmen zahlen deshalb mit Respekt. Seit einiger Zeit greifen experimentelle Ökonomen die alte These wieder auf.
Die Experimente in der Hawthorne-Fabrik in der Nähe von Chicago zum Thema Arbeitsbedingungen sind ein Klassiker der Psychologie und der Management-Literatur. Volkswirte haben sich bisher weniger damit beschäftigt. Das ist verwunderlich, deuteten die Ergebnisse doch auf eine zentrale Frage der Ökonomie: Wie bildet sich der Preis auf dem Arbeitsmarkt? Oder für Nichtökonomen: Wieso arbeiten Menschen? Die Volkswirtschaft hat auf diese Frage eine simple Antwort gefunden: Des Geldes wegen. Als Zusatz wird manchmal noch die Kontrolle durch den Arbeitgeber eingeführt. Ohne Kontrolle keine Arbeit. Beides ist sicher nicht falsch. Und beides begreifen Volkswirte seit langem als notwendige Vereinfachung.
Es sind die Verhaltensökonomen, die jetzt wieder die Hawthorne-Studien hervorkramen, die vor mehr als 80 Jahren erstellt wurden. Damals wollten Forscher eigentlich testen, ob unterschiedliche Arbeitsbedingungen - zum Beispiel helleres Licht - in einer Fabrik zu besseren Ergebnissen führten. Sie stellten fest: Das war tatsächlich der Fall. Helleres Licht führte zu höherem Output. Nur eins störte die Erkenntnis: Gedimmtes Licht führte ebenfalls zu höherem Output. Erstaunt befragten die Wissenschaftler die Arbeiter. Die erklärten, sie hätten sich so sehr darüber gefreut, dass sich jemand um sie kümmerte, dass sie ihr Bestes gegeben hätten. Schnell wurde den Forschern klar, dass sie eine Entdeckung gemacht hatten, die ihnen neu war: Arbeitsergebnisse lassen sich nicht nur steigern, indem man höhere Gehälter zahlt. Es geht auch mit Aufmerksamkeit, der zweiten Währung neben Geld, die die Arbeiter offensichtlich akzeptierten.
Mangelhafte Methoden?
Diese Ergebnisse haben einen der Forscher zu einem gutbezahlten Management-Guru aufsteigen lassen und eine Wende in der Mitarbeiterführung hin zu sozialen Faktoren eingeleitet. Später wurden die Hawthorne-Studien oft kritisiert - wegen mangelhafter Methoden und Beeinflussung der Versuchspersonen. Auch deshalb wurde es etwas ruhig um sie. Doch seit einiger Zeit haben experimentelle Ökonomen das Thema wieder aufgegriffen und kommen zu neuen Erkenntnissen, die den Grundgedanken bestätigen: Geld ist wichtig, aber eben nicht nur Geld allein.
Die schwedischen Ökonomen Tore Ellingsen und Magnus Johannesson haben nun einige dieser Studien in einem Aufsatz für das Journal of Economic Perspectives zusammengefasst. Sie schreiben: "Während Ökonomen gut daran getan haben, sich auf Anreize zu konzentrieren, haben sie einen Fehler gemacht, als sie sich nur auf Geldanreize konzentrierten." Die Forscher kritisieren insbesondere das klassische Prinzipal-Agent-Modell, das vielfach verwendet wird, um optimale Entlohnungsstrukturen zu bestimmen. Hier ist der Arbeitgeber der Prinzipal, der Arbeitnehmer der Agent. Der Prinzipal setzt den Agenten für eine bestimmte Aufgabe ein und bezahlt ihn dafür so, dass der Agent einen Anreiz hat, die Vorstellungen des Prinzipals zu verwirklichen. Wenn der Prinzipal etwa ein Unternehmer ist, der Wert auf große Gewinne legt, so sollte er seinen Agenten, den Manager, gewinnabhängig bezahlen. "Das Prinzipal-Agent-Modell betont die Rolle von materiellen Anreizen", schreiben die Forscher. "Dabei existieren viele Beweise, die dem Standardmodell widersprechen."
Bezahlung kann auch abschrecken
So zeigen die Untersuchungen einiger experimenteller Ökonomen, dass die Konzentration auf Geld als Arbeitsanreiz nicht ausreicht. Uri Gneezy und Aldo Rustichini haben beispielsweise herausgefunden, dass Bezahlung für manche Tätigkeiten sogar davor abschreckt, diese zu tun. Sie hatten in einem Experiment einer Gruppe von Teilnehmern für die Lösung von Aufgaben einen geringen Betrag pro Aufgabe versprochen; eine andere Gruppe hatte diese Aufgaben ohne Geldanreiz lösen sollen. Das Ergebnis: Wenn es pro Aufgabe einen kleinen Betrag gab, wurden weniger Aufgaben gelöst, als wenn die Lösung völlig freiwillig war.
Ähnlich konträr zu klassischen Vorstellungen steht auch ein Experiment von Armin Falk und Michael Kosfeld, in dem "Arbeitgeber" wählen konnten, ob sie ihre "Arbeitnehmer" stark kontrollieren oder ihnen größere Freiheiten lassen. Hier führte die stärkere Kontrolle nicht zu besseren Leistungen - wie klassischerweise angenommen. Vielmehr führte weniger Kontrolle zu besseren Ergebnissen. Die "Arbeitnehmer" belohnten es, wenn ihnen Vertrauen entgegengebracht wurde.
Ellingsen und Johannesson fassen viele solcher Studien zusammen und kommen zu dem Schluss: Neben dem Geld interessieren sich die Menschen auch dafür, was der Arbeitgeber über sie denkt. Besonders wichtig ist ihnen, wie viel Respekt der Arbeitgeber ihnen entgegenbringt. Respekt kann sich dabei in symbolischen Belohnungen, Aufmerksamkeit und Vertrauen ausdrücken. "Also können Arbeitgeber ihre Arbeiter mit einer Kombination aus Geld und Respekt bezahlen", sagen die Autoren. Sie plädieren dafür, dass sich diese Erkenntnis - für Psychologen längst eine Selbstverständlichkeit - auch unter Volkswirten durchsetzt. "Wir glauben, dass die Trennung zwischen ökonomischer und psychologischer Analyse des Personalwesens schädlich gewesen ist."
Wenn man sieht, wie schlecht Entlohnungssysteme funktionieren, die auf den traditionellen Annahmen des Prinzipal-Agent-Modells beruhen - etwa die Boni-Systeme der Banker -, möchte man ihnen recht geben.