Erklär mir die Welt (87) : Warum sind Patente schädlich?
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Bild: F.A.Z.
Erfinder wollen die Früchte ihrer Ideen ernten. Dafür gibt es Patente. Doch der Rechtsschutz macht auch träge. Und das hemmt alle Wettbewerber - vor allem dann, wenn Patente gar nicht wirklich neue Erkenntnisse verbriefen.
„Das solltest du dir patentieren lassen“ - diesen Satz haben wir alle schon einmal gehört und sind vor Stolz innerlich ein paar Zentimeter gewachsen. Patentwürdigkeit - das ist wohl das höchste Lob, das der Volksmund für eine gute Idee bereithält. Denn ein Patent verspricht, dass man mit einer Idee nicht nur stolz, sondern sogar reich werden kann.
Voraussetzung ist nur, dass einem niemand zuvorkommt, und man muss hoffen, dass es Menschen gibt, die den Nutzen der neuen Erfindung erkennen. Dann können wir selbst unsere Idee vermarkten oder immerhin von anderen, die das tun möchten, Lizenzgebühren kassieren. Denn das ist ein Patent: ein hoheitlich erteiltes gewerbliches Schutzrecht auf eine Erfindung. Patente gab es schon im antiken Griechenland. Sinn der Sache ist es von jeher, Menschen einen Lohn für ihre geistigen Mühen und einen Anreiz zu weiteren Anstrengungen zu geben. Dass das sinnvoll ist, liegt auf der Hand: nicht nur körperliche, sondern auch geistige Kraft investiert nur, wer auch die Früchte seiner Arbeit ernten kann.
Solang man die Idee für sich behält, bleibt sie unfruchtbar
Der Anspruch des Menschen auf diese Ernte wird philosophisch entweder aus einer solchen Nützlichkeitsüberlegung hergeleitet oder aber aus dem Naturrecht, frei nach dem Motto: niemand außer mir selbst hat ein Anrecht auf das, was ich bin. Und das, was ich denke, gehört untrennbar zu dem, was ich bin.
Im Fall materieller Güter lässt sich ein solcher Anspruch recht leicht verwirklichen, indem man Dritte von der Nutzung faktisch ausschließt. Bei immateriellen Gütern wie Ideen und Erfindungen ist das schwieriger. Ein Ausschluss lässt sich eigentlich nur so lange praktizieren, wie man die Idee für sich behält. Doch dann bleibt sie unfruchtbar. Zudem besteht noch immer die Gefahr, dass jemand anders unabhängig von einem selbst denselben Einfall hat. Und äußert man seinen Gedanken erst einmal öffentlich, dann gibt es gar kein Halten mehr. Darum schloss auch schon Thomas Jefferson, einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten: „Erfindungen können von Natur aus kein Gegenstand eines Eigentumstitels sein.“
Die Ideenschmiede Deutschlands arbeitet eifrig
Doch genau hier setzt die List der Patente an. Mit der Gewährung eines rechtlich verbrieften, befristeten Vermarktungsmonopols schaffen sie eine künstliche Knappheit. Der Erfinder - ein einzelner Mensch, eine Forschungseinrichtung oder ein Unternehmen - bekommt so einen Anreiz, seine Idee doch nicht geheim zu halten, sondern sie offenzulegen und somit der Gesellschaft insgesamt zur Verfügung zu stellen. Von den Nutzern kann er dann dafür Lizenzgebühren einfordern.
Von besonderer Bedeutung ist das für die Hochtechnologie, vor allem in der Chemie und in der Pharmakologie: neue Ideen setzen oftmals eine ungeheuer teure Grundlagenforschung voraus. Ohne Erträge aus künstlich gewährten Rechten ließe sich diese in vielen Fällen kaum finanzieren.
Das klingt alles ganz logisch, und die Erfahrungen damit sind auch ganz gut: Die Ideenschmiede Deutschlands arbeitet weiterhin eifrig. Beim Europäischen Patentamt, das Patente für den ganzen europäischen Raum gewährt, haben die Deutschen im Jahr 2006 Schutz für fast 25000 Erfindungen beantragt, das sind 18 Prozent aller Anmeldungen und rund 1000 mehr als im Vorjahr. Allerdings wird jedes vierte Patent in Deutschland gar nicht für konkrete neue Produkte genutzt, erbrachte eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft.
Kleinen Unternehmen fehlt gelegentlich das Kapital
Dass allzu viele Schätze im Verborgenen schlummern, hängt mit mehreren Faktoren zusammen. So tun sich beispielsweise Universitäten und andere Forschungseinrichtungen, von denen immer mehr Patentanmeldungen kommen, mit der Vermarktung ihrer Ideen oftmals schwer. Kleinen Unternehmen fehlt gelegentlich das notwendige Kapital. Ein anderer Grund allerdings ist schlicht strategisches Verhalten: Manche Patente werden nur mit dem Ziel angemeldet, der Konkurrenz zuvorzukommen und dieser bestimmte Entwicklungspfade abzuschneiden.