Robert Lucas : Die Leute sind nicht verrückt
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Bild: Corbis; Bearbeitung F.A.Z.
Der Ökonom Robert Lucas glaubt, dass die Menschen rational über ihre Zukunft nachdenken und auf dieser Basis dann entscheiden. Diese Idee konnte vieles erklären - nur nicht die Finanzkrise. Aus der Serie „Weltverbesserer“.
Als Robert E. Lucas Jr. im Jahr 1998 gefragt wurde, ob Studenten der Makroökonomie immer noch die „General Theory“ des berühmten Ökonomen John Maynard Keynes lesen sollten, antwortete er kurz und knapp: „Nein.“
Das tat er zu Recht. Robert Lucas ist der wichtigste Makroökonom des 20. Jahrhunderts. Das mag manche überraschen. Sollte die Ehre nicht John Maynard Keynes gehören? Oder Milton Friedman? Paul Krugman? Sicherlich haben diese Ökonomen enormen Einfluss gehabt. Man mag Keynes sogar zugestehen, dass es ohne ihn das Fach „Makroökonomie“ gar nicht gäbe. Aber moderne Makroökonomie, so wie sie in den führenden Universitäten der Welt betrieben wird, ist ohne die bahnbrechenden Einsichten von Robert Lucas undenkbar.
Lucas hat den modernen Forscher gelehrt, wie über die Ökonomie als Ganzes nachgedacht werden kann. Und er hat zentrale Fragen und Paradigmen aufgestellt, die die Wissenschaft noch heute beschäftigen. Selbst die Wiedergeburt keynesianischer Themen in der neukeynesianischen Literatur baut zentral auf dem Gebäude auf, das Lucas errichtet hat. Etliche dieser Themen machen in dieser erneuerten Form überhaupt erst Sinn. Er ersetzte Konfusion durch Klarheit.
Radikale Auswirkungen für die Betrachtung der Wirtschaft
Der zentrale Einfluss von Robert Lucas ist mit dem Konzept der „rationalen Erwartungen“ verbunden. Das Konzept hat er nicht entwickelt. Er ist auch nicht der Einzige, der dafür gekämpft hat. Lucas allerdings war ohne Frage der Anführer dieser Gemeinschaft. Und er hat damit Anfang der siebziger Jahre eine Revolution im makroökonomischen Denken ausgelöst, die trotz vielfältiger Kritik infolge der Finanzkrise bis heute anhält.
Worum geht es dabei? Das Konzept der „rationalen Erwartungen“ ist eine Vorschrift an den Ökonomen, der sich ein Bild oder Modell von der Ökonomie als Ganzes machen möchte. Bei vielen ökonomischen Fragen geht es um die Einschätzung und Vorbereitung auf die Zukunft, die unsicher ist. Daher braucht der Ökonom Annahmen, wie die Akteure in seinem Modell mit diesen Unsicherheiten umgehen sollen. Das Konzept der „rationalen Erwartungen“ verlangt nun, dass die Erwartungsbildung mit dem Geschehen insgesamt konsistent ist. Das bedeutet, dass sich die Akteure in dem Modell nicht systematisch täuschen. „Rationale Erwartungen“ verlangen die Verwendung von Erwartungen, die sich anhand der Wahrscheinlichkeitsrechnung bilden, so wie sie die Mathematik definiert hat. Wer Würfel spielt, der mag zwar hoffen, jedes Mal eine Sechs zu würfeln, aber er weiß, dass jede Zahl statistisch in etwa gleich oft vorkommt.
Was banal klingt, das hat für die Betrachtung der Wirtschaft radikale Auswirkungen. Ende der sechziger Jahre war „keynesianische Feinsteuerung“ die Zauberformel, mit der Regierungen den lästigen Konjunkturbewegungen und der Arbeitslosigkeit Einhalt gebieten wollten. Zentral dabei war die sogenannte Phillips-Kurve - ein damals in den Daten beobachtbarer negativer Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation: Wenn die Inflation stieg, sank die Arbeitslosigkeit.
Der Glaube wurde erschüttert
Die Erklärung für diesen Zusammenhang war einfach: Ist die Inflation hoch, so sind die schon vereinbarten Arbeitslöhne in Gütern ausgedrückt gering, weil man sich wenig für seinen Lohn kaufen kann. Da es den Firmen aber am Ende auf die realen Löhne ankommt, gibt es mehr Einstellungen, und die Arbeitslosigkeit sinkt. Das Rezept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schien daher einfach: Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.