Bedingungsloses Grundeinkommen : Eine Idee erhitzt die Gemüter
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Götz Werner Bild: Frank Röth
Der Drogeriemarkt-Gründer und Milliardär Götz Werner kämpft seit Jahren für ein staatliches Grundeinkommen: 1000 Euro im Monat soll jeder Bürger einfach so bekommen - unabhängig von sozialer Bedürftigkeit. Eine von ihm finanzierte Studie sorgt bei Anhängern für Freude. Etliche Ökonomen aber runzeln die Stirn.
Eine umstrittene Studie des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider zur Wirkung eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ ist von den Befürwortern der Idee erfreut aufgenommen worden, hat aber scharfe Kritik anderer Ökonomen ausgelöst. Schneider, als Fachmann für die Schattenwirtschaft bekannt, hat sich in der Studie im Sinne der Befürworter eines staatlich finanzierten Grundeinkommens geäußert. Dieses soll alle anderen Sozialleistungen ersetzen, wäre aber an keine Bedingungen und keinen Arbeitswillen geknüpft. In Auftrag gegeben und finanziert wurde die Studie vom Drogeriemarkt-Gründer und Milliardär Götz Werner. Dieser fordert ein staatliches Grundeinkommen von 1000 Euro für jeden Bürger unabhängig von sozialer Bedürftigkeit.
Nach der Befragung von mehr als 2000 Bürgern stehen die Bürger der Idee eines Grundeinkommens – ohne die Höhe vorzugeben – „leicht positiv“ gegenüber, heißt es in Schneiders Studie. Die staatliche Zahlung brächte finanzielle Unabhängigkeit und Gerechtigkeit, lauten die Gründe für die Zustimmung, die Schneiders „Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung“ ermittelt hat. Am Montag wird im Bundestagspetitionsausschuss eine von fast 53.000 Bürgern unterzeichnete Petition diskutiert. Diese fordert sogar 1500 Euro staatliche Zahlung für jeden Erwachsenen und 1000 Euro für jedes Kind. Teile der Linkspartei und einzelne Politiker der Grünen befürworten die Idee des Grundeinkommens, die Koalition sowie die SPD sind dagegen. Linke Gruppen haben am Wochenende in Berlin mehrere Veranstaltungen und ein Fest anlässlich der Petition organisiert.
Studie: Es würde sogar mehr gearbeitet
Kritiker des Grundeinkommens warnen davor, dass eine zu hohe staatliche Leistung die Arbeitsanreize schwäche. Nach der Umfrage glauben 45 Prozent der Befragten, dass die Menschen weniger arbeiten würden; nur 31 Prozent glauben, dass sie gleich viel arbeiten würden. An diesem brisanten Punkt setzt die Studie von Schneider an. Der Linzer Ökonom widerspricht den Bedenken: Die Sorge, „dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Deutschen zum Nichtstun verführt, ist völlig unbegründet“. Im Gegenteil sei nach den Umfragezahlen sogar zu erwarten, dass mehr gearbeitet werde.
Allerdings zeigt ein genauerer Blick in die Studie, dass unter Erwerbstätigen das Bild genau anders aussieht: Selbständige äußerten, dass sie mit einem staatlich gezahlten Grundeinkommen 4,6 Stunden in der Woche weniger arbeiten würden, und abhängig Beschäftigte würden ihre Wochenarbeitszeit um 4,2 Stunden verringern. Vor allem Hilfsarbeiter würden zu 33 Prozent ihre Arbeit „reduzieren oder vollständig einstellen“. Im Durchschnitt aller Berufsgruppen seien es 18 Prozent, unter Handwerkern, Wissenschaftlern und Künstlern 14 Prozent, die weniger oder gar nicht mehr arbeiten würden.
Während sich die Befürworter von der Studie dennoch Rückenwind versprechen, reagierten Wirtschaftswissenschaftler mit Stirnrunzeln. Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit, äußerte sich kritisch über die Methode seines Linzer Kollegen, der in der Umfrage weder über die Höhe des staatlichen Geldes noch über die Finanzierung irgendwelche Angaben macht. „Ein Grundeinkommen von 1000 Euro für alle, wie es Götz Werner vorschlägt, würde die staatlichen Kosten ins Astronomische treiben“, warnte er. „Wer solche Forderungen aufstellt, meint wohl, das Geld kommt wie der Strom aus der Steckdose.“ Der Finanzwissenschaftler Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel sprach von einem dreistelligen Milliardenbetrag, den solche Vorschläge kosteten. „Die Studie von Schneider ist leider für die Problemstellung völlig unbrauchbar und einigermaßen skurril“, kritisierte Boss.
Auch der Volkswirt Thomas Straubhaar, eigentlich ein Befürworter eines niedrig angesetzten Grundeinkommens, kritisierte die von Götz Werner in Auftrag gegebene Umfrage. „Diese Studie ist sehr angreifbar. Man verkauft eine Katze im Sack, weil gar nicht klargemacht wird, wie das Grundeinkommen ausgestaltet und wie es finanziert werden sollte“, sagte Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts ist. Die Aussage Friedrich Schneiders, wonach ein staatlich bezahltes bedingungsloses Grundeinkommen zu mehr Arbeitseinsatz führen werde, zweifelte Straubhaar an. „Wenn man sich die Umfrage genau anschaut, kommt man zum genau gegenteiligen Schluss.“ Insgesamt mache ihn die Studie „sprachlos“.
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens beruhe „auf zwei grundlegenden Irrtümern“, urteilte Clemens Fuest, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium. Der erste Irrtum laute, dass es nicht genug Arbeit gebe. Das Gegenteil sei richtig. „Derzeit bleiben viele Arbeiten unerledigt, vor allem im Dienstleistungsbereich“, sagte Fuest. Der zweite Irrtum laute, dass Menschen, die ein Grundeinkommen haben, beginnen würden, kreativ zu werden und zu arbeiten, ohne dazu wirtschaftlich gezwungen zu sein. „Es gibt aber viele Arbeiten, die anstrengend und unangenehm sind, aber trotzdem erledigt werden müssen“, erklärte Fuest. Schneiders Studie zeigt genau dies, dass gerade die gering entlohnten, einfachen Arbeiten dann nicht mehr gemacht würden.