John Kenneth Galbraith : Diktatur der Konzerne
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John Kenneth Galbraith Bild: picture-alliance / KPA/TopFoto
John Kenneth Galbraith fürchtete nichts so sehr wie die Macht großer Unternehmen. Er war überzeugt: Industriekonzerne machen viele Menschen arm und nur wenige reich. Aus unserer Serie „Die Weltverbesserer“.
Die jüngste Debatte um Bankenrettungsaktionen und Unternehmen, die zu groß sind zum Scheitern, hätte ihm bestimmt gefallen: John Kenneth Galbraith (1908–2006) galt als brillanter Querkopf und provokanter Ökonom, und seine Ideen über die Entstehung und Macht von Großunternehmen haben traditionelle Ökonomen sehr beschäftigt. Auch heute, viele Jahrzehnte nach seinen wichtigsten Veröffentlichungen, kann man über den streitbaren Ökonomen streiten.
Galbraiths Überlegungen beginnen mit der Kritik an der klassischen Idee des Wettbewerbs – viele kleine Unternehmen rangeln um Marktanteile, indem sie Kundenwünsche so günstig wie möglich erfüllen. Galbraith hält diese Vorstellung von Wettbewerb in der modernen Industriegesellschaft für überholt – zunehmend komplexere Produkte und kompliziertere Produktionsprozesse verändern die Gesellschaft und die Märkte. Der technische Fortschritt, so Galbraiths Idee, macht Produktion und Produkte zunehmend komplizierter, das erfordert mehr spezialisierte Bürokraten und Planer. Unternehmen werden immer kompliziertere Gebilde, die von einem immer größeren bürokratischen Apparat gelenkt werden müssen; der Einzelne verliert den Überblick über das Gesamtunternehmen. Es entsteht innerhalb des Unternehmens das, was Galbraith die Technostruktur nennt: eine neue Klasse von Mitarbeitern, die Management, Planung, Marketing, Aufsicht und Macht in sich vereinigt.
Bürokraten achten nicht auf Gewinnmaximierung
Die Macht über das Unternehmen liegt nun nicht mehr beim Individuum, sondern bei der Organisation. Man muss es sich ein wenig so vorstellen, als herrsche eine kafkaeske, anonyme Instanz über das Unternehmen: War bei Marx der Arbeiter seiner Arbeit entfremdet, so ist bei Galbraith der Unternehmer seinem Unternehmen entfremdet.
Der Siegeszug der Technostruktur hat Folgen für die Ziele des Unternehmens: Bürokraten achten nicht auf Gewinnmaximierung, zumal sie selbst nicht viel von einem höheren Gewinn haben. Stattdessen trachtet die Technostruktur nach dem Erhalt und Ausbau der eigenen Macht, und das geht nicht über Gewinne, sondern über Wachstum, Fusionen und Akquisitionen. Zugleich will die Technostruktur das Risiko minimieren, deswegen versucht man wo möglich den Markt durch Planung zu ersetzen, Unsicherheiten zu beseitigen und seine teuren Investments zu beschützen – nicht zuletzt auch durch Lobbyismus. Das wäre eine Erklärung für das Entstehen von Großunternehmen und deren oft unglückliche Nähe zum politischen Geschäft.
Eine besonders perfide Methode, das Risiko zu minimieren und seinen Einfluss zu maximieren, sieht Galbraith im Marketing, durch das die Konsumenten Dinge kaufen, die diese nicht benötigen und eigentlich gar nicht wollen. So werden überflüssige Statusprodukte in den Markt gedrückt, während andere Güter (wie Gesundheitsversorgung oder Bildung) zu wenig hergestellt werden. Und die Lobbyarbeit der großen Unternehmen führt dazu, dass viel Geld in wenig produktive Dinge wie beispielsweise Waffen fließt – im Interesse der Großunternehmen. Auf diesem Weg entsteht das bizarre Nebeneinander von privatem Reichtum und öffentlicher Armut, das Galbraith in einem berühmten Szenario schildert, in dem eine Familie in einem Luxuswagen durch heruntergekommene Städte fährt.