Wirtschaftsstandort Deutschland : Habeck beklagt Lust am Untergangsgerede
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Wirtschaftsminister Robert Habeck auf der Industriekonferenz in Berlin Bild: dpa
Manche suhlten sich regelrecht in Abgesängen auf den Wirtschaftsstandort, kritisiert der Wirtschaftsminister auf einer Tagung in Berlin. Die FDP meine er damit aber nicht.
Normalerweise sind Industriekonferenzen diplomatische Veranstaltungen. Der Bundeswirtschaftsminister mahnt, verpackt in lobende Worte über die Bedeutung der Industrie, mehr Innovationen an. Die Industrievertreter mahnen, mit Lob über die gute Zusammenarbeit mit der Regierung, politische Reformen an. Bei der diesjährigen Veranstaltung am Dienstag in Berlin ließ Robert Habeck jedoch das Protokoll mal beiseite. Der grüne Vizekanzler nutzte die Bühne, um seinen über die vergangenen Wochen aufgestauten Frust loszuwerden.
„Die Körperhaltung, mit der man auf den Platz geht, die ist im Moment gerade nicht gut“, kritisierte er. „Es scheint geradezu eine Lust am Herbeireden eines Untergangs zu geben.“ Ja, es seien keine einfachen Zeiten. Die hohen Energiekosten, die Subventionsoffensive der Vereinigten Staaten, der demographische Wandel. Aber es gebe auch Positives: Die Gasspeicher seien auch nach 14 kalten Tagen noch „proppenvoll“, die Hilfen für Privathaushalte und Industrie auf dem Weg.
„Das ist keine Leistung, die vom Himmel gefallen ist“, sagte Habeck. Die Bundesregierung habe gezeigt, dass sie „schnell und robust“ handeln könne.
Mit Blick auf die geplante Reform des Einbürgerungsrechts sagte er, er verstehe aus ökonomischer Sicht nicht, mit welcher Inbrunst diese Vorschläge bekämpft würden. Damit keiner dies als Breitseite gegen den eigenen Koalitionspartner verstand, schob Habeck schnell hinterher, dass er damit nicht die FDP meine, „sondern eher die Opposition“. Den Wirtschaftsstandort Deutschland so unattraktiv darzustellen – „das ist abenteuerlich, das muss man so sagen, und hilft der Sache überhaupt nicht“.
Tags zuvor hatte die besagte Opposition kräftig gegen Habeck ausgeteilt. Auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) soll Unionsfraktionschef Friedrich Merz einen Neuanfang in der Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition gefordert haben, wird aus Teilnehmerkreisen berichtet. Es brauche endlich wirtschaftspolitischen Sachverstand auf der Leitungsebene des Wirtschaftsministeriums, sagte der CDU-Vorsitzende demnach. Wenn dies schon nicht durch den Minister selbst gegeben sei, müsse es mindestens auf Staatssekretärsebene jemand geben, der etwas von Wirtschaftspolitik verstehe. Das sei derzeit nicht der Fall – wofür Habeck die Verantwortung trage. Ohne einen personellen Neustart im Wirtschaftsministerium werde es der Bundesregierung nicht gelingen, „das Land und seine Unternehmen durch die Krise zu führen“, wird Merz zitiert.
Russwurm: „Larmoyanz hilft niemandem“
Für den Fall, dass auch er mit Habecks Untergangslustkritik gemeint gewesen war, stellte BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf der Industriekonferenz klar: „Larmoyanz hilft niemandem.“ Die Gefahr einer Abwanderung von Industrieunternehmen sei aber real, betonte er, von 600 Mittelständlern erwäge das einer Umfrage zufolge mehr als jeder fünfte. Grund seien vor allem die hohen Energiekosten. Fördermittel allein würden nicht reichen, die Rahmenbedingungen müssten besser werden. Habeck hielt später dagegen, die Erneuerbaren produzierten Energie für 5 Cent je Kilowattstunde.