Wirtschaftsprogramm : Die Grünen fordern mehr Verbote
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Robert Habeck wirbt in der kontroversen Debatte für den Leitantrag. Bild: EPA
Neue Klimazölle, strenge Quoten für die Automobilindustrie und eine Anhebung des Mindestlohns. Die Grünen-Spitze um Baerbock und Habeck spricht sich für einen „Green New Deal“ aus.
Ohne den Markt geht es nicht, ohne klare politische Vorgaben aber auch nicht: Mit dieser wirtschaftspolitischen Stoßrichtung wollen die Grünen Deutschland zu einer „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“ umbauen. „Wir müssen unsere Wirtschaftspolitik danach ausrichten, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht die Maximierung der Gewinne“, forderte Parteichefin Annalena Baerbock am Sonntag auf dem Parteitag in Bielefeld. Zuvor hatte der Ko-Vorsitzende Robert Habeck schon einen „Green New Deal“ ausgerufen, ein Ende des „Kriegs der Ökonomie gegen die Natur“.
Der Parteitag beschloss ein Papier, das unter anderem Klimazölle auf importierte Produkte vorsieht. Zudem soll die Politik etwa der Autoindustrie Quoten vorgeben, wie viel Prozent klimaneutralen Stahl sie verbauen muss. Der Mindestlohn soll nach den Vorstellungen der Grünen auf 12 Euro angehoben werden. Nach diesem politisch gewollten Schritt soll dann wie bislang die Mindestlohnkommission über Erhöhungen entscheiden. Die Schuldenbremse für den Bund soll gelockert werden, damit der Staat deutlich mehr investieren kann. Ein Bekenntnis zur Schuldenbremse für die Bundesländer wurde aus dem Leitantrag des Bundesvorstands gestrichen. Dies war die einzige Abstimmung, in der die Delegierten sich gegen den Bundesvorstand durchsetzten.
Markt braucht Regeln
Es fehle der großen Koalition an Mut, Regeln zu setzen, kritisierte Baerbock. „Wir Europäer sind der größte Binnenmarkt der Welt, wir können die Standards setzen“, sagte sie und verwies auf den Umweltschutz, die Finanzmärkte und die Digitalisierung. „Natürlich braucht ein Markt Regeln, und ja, das kann man auch Verbote nennen“, rief sie unter dem Applaus der Delegierten. Ein Markt ohne Regeln sei Anarchie. Ähnlich äußerte sich auch der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. „Wir brauchen den Markt, wir brauchen privates Kapital, wir müssen nur alles dafür tun, um es in die richtige Richtung zu lenken.“
Sowohl Baerbock als auch Habeck betonten in Bielefeld mehrfach, wie wichtig es sei, nicht nur die Grünen-Anhänger mitzunehmen, sondern die ganze Gesellschaft: auch die Arbeiter in der Auto- und Kohleindustrie und konventionell wirtschaftende Landwirte. „Wir haben in der Vergangenheit den Fehler gemacht, dass wir vorneweg gerannt sind und hinter uns war niemand mehr“, sagte Baerbock.
Starke Präsenz der Gewerkschaften
Auffällig war in Bielefeld die Präsenz der Gewerkschaften, die an einen SPD-Parteitag erinnerte. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann lobte Baerbock und Habeck („das war ganz schön toll“), forderte einen stärkeren Ausbau der Windenergie und kritisierte, dass Biosupermarktketten kaum Betriebsräte hätten und auch oft nicht nach Tarif zahlten. Der ehemalige Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske rief in den Saal: „Das ist meine Partei“. Rückendeckung kam auch vom Chef der Fondsgesellschaft Union Investment, Hans Joachim Reinke: „Wir sind in Detailfragen nicht immer einer Meinung, aber Ökonomie und Ökologie müssen stärker verzahnt werden.“
Zum Thema Wohnen beschloss der Parteitag die Forderung, den Anstieg der Mieten in bestehenden Mietverträgen bei 3 Prozent im Jahr zu deckeln. In den meisten Großstädten sind derzeit 15 Prozent innerhalb von drei Jahren erlaubt. Mieter sollen nach dem Willen der Partei außerdem ein Recht darauf bekommen, untereinander ihre Mietverträge zu den bestehenden Konditionen zu tauschen. In Berlin bieten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften diese Möglichkeit schon seit einiger Zeit an, es nutzen sie aber nur wenige Mieter. Die Enteignungen von Immobilieneigentümern soll als „letztes Mittel“ ausdrücklich erlaubt sein. Anträge, diesen Passus entweder zu schärfen oder ganz zu streichen, scheiterten. Habeck sagte, es handele sich um einen „krassen Eingriff in die Eigentumsverhältnisse“, mit dem man vorsichtig umgehen müsse.
Sowohl die FDP als auch die Linke warf den Grünen vor, in ihren politischen Positionen zunehmend beliebig zu werden. Aus der CDU kam Kritik an dem geforderten höheren Mindestlohn. Die Grünen wollten offenkundig die Belastbarkeit der Wirtschaft austesten, hieß es.