Neue Beschränkungen geplant : Zeitarbeiter verdrängen keine Stammarbeiter
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Zeitarbeit hat stark zugelegt, doch mit 2,5 Prozent Anteil an der Gesamtbeschäftigung ist sie doch klein. Bild: dpa
Die Einsätze von Zeitarbeitern dauern im Schnitt nur drei Monate. Trotzdem plant die Regierung neue Beschränkungen, die dem Arbeitsmarkt schaden könnten.
Die knapp 900.000 Zeitarbeiter in Deutschland stehen unter dem Generalverdacht, Beschäftigungskiller zu sein. Vor allem die Gewerkschaften behaupten, das starke Wachstum der Branche gehe zu Lasten der Stammbelegschaften in den Einsatzunternehmen. Wissenschaftlich belegen lässt sich diese Verdrängungsthese jedoch nicht, wie aus einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört.
Demnach dauert ein Zeitarbeitsverhältnis im Durchschnitt gerade einmal drei Monate, mit leicht steigender Tendenz. Wobei hochqualifizierte Akademiker in anspruchsvollen Projekten deutlich länger beschäftigt sind. Diese seien mit einem Anteil von weniger als 5 Prozent aber unterrepräsentiert. Das Gros der Tätigkeiten entfällt auf Helferarbeitern etwa in der Industrie von Geringqualifizierten. Damit lasse sich die Behauptung, dass Unternehmen ihre Stammbelegschaften durch geliehenes Personal zunehmend ersetzen, „auf der Basis dieser Auswertungen nicht bestätigen“, urteilen die Wissenschaftler.
Sie weisen vielmehr darauf hin, dass die geplanten Gesetzesänderungen der Bundesregierung die Beschäftigungsdauern sogar verringern könnten. Denn der schwarz-rote Koalitionsvertrag beinhaltet das Vorhaben, die maximale Verleihdauer auf 18 Monate begrenzen zu wollen. Danach muss das ausleihende Unternehmen dem Zeitarbeiter ein Übernahmeangebot machen oder auf ihn verzichten. Es wird damit gerechnet, dass das Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause Fahrt aufnimmt. Außerdem will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nach neun Monaten Einsatzdauer die gleiche Bezahlung von Zeitarbeitern und Stammpersonal vorschreiben. Im Durchschnitt verdienen Zeitarbeiter weniger als Stammkräfte. Dies gilt vor allem für die Industriebranchen. Deshalb wurden zuletzt Tarifverträge über Branchenzuschläge vereinbart, die nach einer Einarbeitungsphase eine schrittweise Lohnangleichung vorsehen. Allerdings gibt es auch Branchen – vor allem im Dienstleistungssektor – ohne diese Lohnlücke, nicht selten verdienen Zeitkräfte sogar mehr.
Doch Nahles’ Gesetz könnte noch weiter gehen. Denn der gewählte Begriff der Gleichbehandlung kann neben Gehaltsfragen auch Urlaubs- oder Vorsorgereglungen umfassen. Die Zeitarbeitsbranche hält eine solch weitreichende Auslegung angesichts der wechselnden Einsatzunternehmen für nicht administrierbar. „Unter strengeren Regeln würden nicht nur die Einsatzbetriebe leiden, sondern auch die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Zeitarbeit den Einstieg in den Arbeitsmarkt bedeutet“, warnt Ariane Durian, die Bundesvorsitzende des Arbeitgeberverbandes IGZ. Nach Daten der Arbeitsagentur waren zwei von drei Zeitarbeitern zuvor arbeitslos.
Laut IAB-Studie hält sich die Zahl der von den Gesetzesvorhaben vermutlich betroffenen Zeitarbeitnehmer in Grenzen. Demnach würde die Gleichbezahlungsregel nach 9 Monaten etwa für jeden vierten und die Höchstdauer von 18 Monaten für jeden neunten Leiharbeiter gelten. Die Zeitarbeit hat seit der Arbeitsmarktliberalisierung vor rund zehn Jahren ein enormes Wachstum erlebt und damit zur Debatte über die Ausweitung des Niedriglohnsektors beigetragen. Gab es im Jahr 2000 rund 330.000 Leiharbeiter, waren es 2010 fast 880.000.
Die Zeitarbeit ist aber auch Konjunkturschwankungen stärker unterlegen als andere Branchen: Fremdpersonal muss in schweren Zeiten wie etwa in der Finanzkrise als Erstes gehen und wird in Erholungsphasen wie ab 2010 als Erstes wieder ins Unternehmen geholt. Deshalb gilt die Branche als Frühindikator für die Volkswirtschaft. Der Anteil der Zeitarbeiter an allen abhängig Beschäftigten in Deutschland ist laut IAB-Studie mit 2,5 Prozent immer noch niedrig geblieben, weil sich der deutsche Arbeitsmarkt insgesamt sehr gut entwickelt hat.