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Wirtschaftsforscher warnen : Werden die Zentralbanken zu abhängig von der Politik?

Was für Geldpolitik darin wohl gemacht wird? Die neue Zentrale der EZB ist noch im Bau. Bild: dpa

Lassen sich die Notenbanken zu sehr vor den Karren der Politik spannen? In Amerika kommt Kritik an der Notenbank „Fed“ auf. Aus deren Reihen wird die EZB beispielhaft kritisiert.

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          Zum guten Ton unter Notenbanken gehört es, sich nicht gegenseitig zu kritisieren. In Krisenzeiten aber gilt das offenbar nicht mehr. Der Präsident der regionalen Federal Reserve Bank von St. Louis, James Bullard, hat in San Diego vor einer schleichenden Politisierung der Zentralbanken gewarnt  - und als Beispiel die Europäische Zentralbank (EZB) gewählt.

          Patrick Welter
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Bullard nannte das Ankaufprogramm der EZB für Staatsanleihen von Krisenstaaten (“OMT“) eine „Fiskalisierung“ der Geldpolitik, die die geldpolitische Antwort der EZB auf die Rezession schwäche. „Der geldpolitische Prozess hat sich im politischen Ringen um das OMT- und andere Programem festgefahren“, begründete Bullard seine Kritik auf einem Seminar der National Association for Business Economists im kalifornischen San Diego. Die EZB habe ihren Zinssatz nicht signifikant an die Rezession angepasst.

          Bullard warnte, dass das Programm die EZB weit aus dem Aufgabenbereich der Geldpolitik herausführe. Die Analogie wäre in den Vereinigten Staaten, dass die Federal Reserve verspräche, Schulden der Bundestaaten kaufen oder zu monetisieren, im Gegenzug für das Versprechen, dass die Staaten eine vorsichtige Finanzpolitik beibehalten. Solche finanzielle Unterstützung von der Zentrale für Regionen werde am besten durch den politischen Prozess in demokratisch gewählten Institutionen ausgehandelt, erklärte Bullard, nicht aber durch Zentralbanken.

          „Schleichende Politisierung der Zentralbanken“

          Der regionale Fed-Präsident griff die EZB nur beispielhaft auf und bezog seine Kritik auf alle Zentralbanken. „Die Folgeschocks der Globalisierung hätten global zu einer „schleichenden Politisierung der Zentralbanken“ geführt, erklärte Bullard. Er warnte davor, dass in dem Ausmaß, in dem die Unabhängigkeit der Zentralbanken leide, die gesamtwirtschaftliche Stabilitätspolitik nicht mehr so gut durchgeführt werde wie seit Mitte der achtziger Jahre. Das deute darauf hin, dass weitere gesamtwirtschaftliche Schwankungen bevorstünden.

          Auch in den Vereinigten Staaten steht die Federal Reserve wegen ihres Ankaufs von Regierungsanleihen unter der Kritik, dass sie sich in fiskalpolitischen Aktionen verzettle. Im Unterschied zur EZB kauft die Fed indes Anleihen der Bundesregierung, nicht aber der regionalen Bundesstaaten. Ökonomen klagten auf der Jahrestagung der American Economic Association darüber, dass die Fed damit - wie auch die EZB - fiskalpolitische Aufnahmen übernähme. Sie stellten das Prinzip der Unabhängigkeit der Zentralbanken in Frage. Die Krise habe gezeigt, dass die juristische Unabhängigkeit noch keine faktische oder inhaltliche Unabhängigkeit gewährleiste.

          „In einer Demokratie sollte keine Institution unbegrenzte Macht haben“, sagte der Ökonom Alan Meltzer mit Blick auf die Federal Reserve. John Taylor von der Stanford Universität argumentierte, dass die Fed mit dem Ausflug in die Fiskalpoltik ihre Unabhängigkeit selbst aufgegeben habe. Taylor sprach sich dafür aus, die Fed per Gesetz wieder zu einer regelorientierten Geldpolitik zu zwingen. Der frühere Vizevorsitzende der Federal Reserve, Donald Kohn, argumentierte dagegen entlang herkömmlicher Linien, er sei über die Fed „in einer Ära des polarisierten und extremen politischen Diskurses“ besorgt. Das Wettrennen der republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur im vergangenen Jahr, wer am schnellsten den Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke feuern werde, sei „nicht ermutigend“ gewesen.

          Wann beendet die Fed den Ankauf von Staatsanleihen?

          Bullard und auch der der Präsident der regionalen Federal Reserve Bank von Philadelphia, Charles Plosser, erwarten, dass die Fed den Anleiheankauf noch in diesem Jahr beendet. Bullard, der in Jahr dafür stimmberechtigt ist, erwartet selbst bei nur moderatem Wachstum, dass die Arbeitslosenquote weiter sinken werde. Die Notenbank werde dann in einer guten Position sein, über eine Pause in dem Programm nachzudenken. Plosser erklärte in San Diego, er erwarte, dass die Arbeitslosenquote von zuletzt 7,8 Prozent bis Jahresende auf 6,8 bis 7 Prozent sinken werde. Er hoffe, dass die Fed den Anleiheankauf einstelle, bevor eine Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent erreicht sei. Indirekt bedeutet dies, dass Plosser, der den Anleiheankauf ablehnt, ein Ende des Programms noch vor Jahresende erwartet.

          Die Fed kauft derzeit im Monat Anleihen für 85 Milliarden Dollar an: 40 Milliarden Dollar Hypothekenanleihen überwiegend der staatskontrollierten Hausfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac und 45 Milliarden Dollar Anleihen der Bundesregierung.

          Dauerhafter Schaden für Amerikas Wirtshaft

          Plosser erklärte zugleich, dass die amerikanische Wirtschaft mit der Finanzkrise wohl dauerhaften Schaden erlitten habe, der das Trendwachstum verringere. „Es sieht so aus, als ob wir einen permanenten  Schock hatten“, sagte Plosser. Das Problem sei, dass man dies erst nach vielen Jahren genau wissen werde. Für die klassische Gelpolitik ist die Einschätzung des Trendwachstums dennoch entscheidend, richtet sich doch daran der Grad der monetären Stimulierung aus.

          Die Fed begründet ihre lockere Geldpolitik damit, dass die Wirtschaft ihr Potential noch lange nicht erreicht habe und deshalb keine Inflationsrisiken drohten. Hat das Trendwachstum aber Schaden genommen, ist die derzeitige Geldpolitik in herkömmlicher Analyse vielleicht schon zu locker. Plosser warnte vor dem Risiko der „Überstimulierung“ der Wirtschaft, was Inflation hervorrufen würde. Zuletzt hatte die Federal Reserve sich diesen Fehler in den siebziger Jahren erlaubt, als sie das Trendwachstum weit höher einschätzte als es tatsächlich war.

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