Rente für Geringverdiener : Junge Abgeordnete gegen Lebensleistungsrente
- -Aktualisiert am
Der Unionsabgeordnete Carsten Linnemann hat die Idee mit ausgearbeitet. Bild: dpa
Eine Mindestrente für alle, die lange genug gearbeitet haben? Junge Unionsabgeordnete finden diese Idee nicht gut – und kontern mit einem eigenen Vorschlag.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat schon mit den Vorbereitungen begonnen. Doch in der Union formiert sich Widerstand gegen die Einführung der neuen sogenannten Lebensleistungsrente für Geringverdiener: Das Vorhaben, das CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, führe zu „fragwürdigen Verteilungswirkungen und schweren Systembrüchen“, warnen die CDU-Abgeordneten Carsten Linnemann und Stefan Heck sowie der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, in einem Positionspapier, das dieser Zeitung vorliegt. Linnemann ist auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsunion, Heck Vizechef der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion.
Die drei haben das Papier mit dem Freiburger Ökonomen Bernd Raffelhüschen erarbeitet und machen darin auch einen eigenen Vorschlag, was man gegen Altersarmut tun sollte: Statt innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmte Gruppen von Geringverdienern durch neue Aufstockungsregeln zu bevorzugen, müsste vor allem der bestehenden staatlichen Grundsicherung – der Sozialhilfe für Rentner – ihr „Stigmatisierungseffekt“ genommen werden. Auf diese Weise wollen sie Hemmschwellen abbauen, die bisher manche bedürftige Rentner davon abhalten, Grundsicherung zu beantragen.
Einen großen Beitrag dazu können nach Überzeugung der Autoren schon organisatorische Neuerungen leisten: Die beiden Antragsstellen – die Rentenberatung der Sozialversicherung und die kommunalen Grundsicherungsstellen – sollen ihre Dienstleistungen künftig in Bürogemeinschaften anbieten. Zudem solle man die Fürsorgestellen in „kommunale Rentenstelle“ umbenennen, um den negativen Beiklang von Fürsorge zu vermeiden. Diese Reform würde nicht nur geringere Kosten verursachen als die Lebensleistungsrente, sondern wäre im Hinblick auf die Bedürftigen auch deutlich zielgenauer, legen die Autoren dar. „Diese Verwaltungsvereinfachung wirkt direkt der Gefahr von ,verdeckter Armut’ entgegen.“
Kritik: Die Lebensleistungsrente hilft nicht den richtigen
Die im Koalitionsvertrag beschriebene Regelung sieht vor, dass Versicherte, die 30 oder 40 Jahre lang gearbeitet haben und wegen geringer Löhne trotzdem auf weniger als 900 Euro Rente kommen, eine Aufstockung durch die Rentenversicherung erhalten. Diese soll dafür einen zusätzlichen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt bekommen. Allerdings ist die Reform im Koalitionsvertrag mit einem Finanzierungsvorbehalt versehen. Ein umstrittenes Konzept der früheren Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hätte zu jährlichen Mehrausgaben von 4,6 Milliarden Euro geführt.
Ein Hauptproblem der Lebensleistungsrente liegt nach Ansicht der CDU-Politiker aber darin, dass sie in zweifacher Hinsicht nicht zielgenau ist: Zum einen drohe Altersarmut vor allem solchen Versicherten, die wegen häufiger Arbeitslosigkeit gar keine 30 oder 40 Beschäftigungsjahre erreicht haben. Zum anderen würden von der Lebensleistungsrente auch Rentner profitieren, die wegen anderer Einkünfte – ob von Lebenspartnern oder aus Erbschaften – gar nicht bedürftig seien. Zwar führte auch der Alternativvorschlag zu höheren Ausgaben, falls dann mehr Berechtigte Grundsicherung beantragen. Doch würde dieses Geld dann nicht über die Rentenkasse umgewälzt, sondern in jedem Fall an bedürftige Senioren fließen.
Die drei CDU-Politiker wollen ihr Papier nun zunächst ihren Parteiorganisationen vorlegen und dann mit umso größerem Rückhalt für diesen Ansatz eintreten. Nahles will indes im Herbst ihr Gesetz zur Lebensleistungsrente ins Kabinett bringen – und kann zumindest bisher auf den Rückhalt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hoffen. Sie hatte am Wochenende versichert, es sollten entsprechend dem Koalitionsvertrag noch „Projekte zur Rente“ auf den Weg gebracht werden.