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Ursula von der Leyen im Interview : „Es gibt kein Zurück in die Kuschelwelt“

  • Aktualisiert am
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist nicht zufrieden damit, wie sich der Frauenanteil in deutschen Unternehmen entwickelt hat

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist nicht zufrieden damit, wie sich der Frauenanteil in deutschen Unternehmen entwickelt hat Bild: dpa

Arbeitsministerin von der Leyen kämpft für die Vereinigten Staaten von Europa und droht den Konzernen mit einer festen Frauenquote.

          6 Min.

          Frau von der Leyen, Sie wollen die Vereinigten Staaten von Europa?

          An dem Begriff hänge ich nicht. Aber das ist die Vision, wohin wir jenseits der aktuellen Krise mit Europa wollen.

          Sie wollen einen Bundesstaat, mit Brüssel als Europas Hauptstadt?

          Brüssel bleibt Brüssel, und Berlin bleibt Berlin. Wichtig ist, dass die 17 Länder der Eurozone zusammenhalten. Nur ein starkes Bekenntnis zur Eurozone gibt uns Glaubwürdigkeit. Zweitens wollen wir den Beweis antreten, dass wir nachhaltig Schulden zurückführen und damit die Ursache der Krise ausmerzen. Hier sollte ein Währungskommissar mit weitreichenden Durchgriffsrechten gegen Schuldensünder ausgestattet werden. Schließlich wollen wir Europas Unvollständigkeit beenden, die jetzt unsere Schwäche ist, und sein Zusammenwachsen vertiefen.

          Wir haben ein vereintes Europa - und trotzdem ein Problem. Warum sollte mehr Europa helfen?

          Weil sonst die Zersetzung Europas beginnt. Deshalb müssen wir über die langfristigen Perspektiven Europas reden - und nicht nur kleinteilig die Krise bearbeiten, auch wenn das wichtig ist.

          Was ist kleinteilig? Über eine Pleite Griechenlands zu reden?

          Kleinteiliges Denken ist, die notwendigen Schritte darzulegen - aber nicht über den Tag hinaus zu argumentieren, warum es sich lohnt, die Anstrengungen auf uns zu nehmen. Nicht Griechenland steht in Frage, sondern Europa.

          Ihr Vorschlag, die Griechen sollten für die Hilfen ein Goldpfand hinterlegen, war nicht kleinteilig?

          Mein Vorschlag galt explizit nicht einem einzelnen Land. Mir ging es darum zu sagen: Wer auch immer in Zukunft Hilfen der Gemeinschaft braucht, der muss eigenes Vermögen aktivieren und strenge Reformauflagen akzeptieren. Die Gemeinschaft hilft, aber sie braucht Sicherheiten, dass Schuldensünder ihre Sparversprechen dauerhaft halten. Wir müssen das Vertrauen von Investoren zurückgewinnen, dass Europas Staaten nachhaltig wirtschaften und dass es sich lohnt, hier zu investieren. Außerdem sage ich als Arbeitsministerin: In Deutschland hängen neun Millionen Jobs am Euro. Sie sind gefährdet, wenn die Währung zerfällt. Deutsche Produkte wären nicht mehr konkurrenzfähig.

          Vor der Einführung des Euro hat es doch auch funktioniert?

          Aber die Globalisierung ist seitdem weitergegangen. Wir können nicht einfach zurück in die Kuschelwelt des 20. Jahrhunderts. Wir sehen das gerade an der Schweiz, deren Exportwirtschaft wegen des starken Frankens die Luft ausgeht. Die Leute sind stolz auf ihre starke Währung, aber sie verlieren im weltweiten Wettbewerb ihre Jobs.

          Hängt die Zukunft Europas nur am Euro?

          Wenn wir nicht handeln, bricht zuerst der Euro auseinander, dann würde die Gemeinschaft insgesamt erodieren. Dann werden Populisten wie die Wahren Finnen sofort nach Grenzkontrollen rufen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Versäumnisse der Vergangenheit das große Werk Europa unterhöhlen. Stillstand wäre Rückschritt.

          Die europäische Schuldenkrise begann vor anderthalb Jahren. Sie reden erst seit ein paar Wochen so europabegeistert wie jetzt. Woher der Sinneswandel?

          Ich bin aus tiefstem Herzen Europäerin. Ich bin in Brüssel aufgewachsen, habe in einer europäischen Schule das Abc gelernt und weiß, was europäische Freundschaften bedeuten. Aber wie die meisten habe ich Europa lange als zu selbstverständlich angesehen.

          Die Krise hat Sie zunächst in eine Schockstarre versetzt?

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