Betriebliche Altersvorsorge : Unternehmen fürchten Zwang zur Betriebsrente
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Erst die Arbeit, dann die Rente: Zeiterfassung 1.0 Bild: Gyarmaty, Jens
Arbeitsministerin Nahles will die Unternehmen dazu drängen, ihren Mitarbeitern Betriebsrenten anzubieten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund muss sich seine Meinung dazu erst noch bilden. Das Arbeitgeberlager ist schon weiter.
Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag ist klar: Schwarz-Rot will mehr kleine und mittlere Unternehmen dazu bringen, ihren Mitarbeitern Betriebsrenten anzubieten. Die Betriebe sollen ermutigt werden, für ihre Mitarbeiter zu sparen. Dafür werde geprüft, wie man Hemmnisse abbauen könne, heißt es in dem Papier. Nun zeichnet sich im Bundesarbeitsministerium ab, wie der Plan Realität werden soll: Ministerin Andrea Nahles (SPD) will es den Tarifparteien erleichtern, gemeinsame Versorgungseinrichtungen aufzubauen und diese anschließend durch die Politik für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. So könnten Unternehmen über Tarifverträge gedrängt werden, für ihre Mitarbeiter vorzusorgen. Das geht aus einem Papier ihres Ministeriums hervor, das der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegt.
Bislang gibt es eine Vielfalt an Möglichkeiten, eine Betriebsrente aufzubauen. Am beliebtesten ist die Form, in der Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine direkte Zusage aussprechen. Doch im vergangenen Jahrzehnt hat die sogenannte Entgeltumwandlung am meisten dazu beigetragen, dass sich Betriebsrenten weiterverbreiteten. Arbeitnehmer können Teile ihres Lohns einzahlen und sparen damit Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Zum Teil beteiligen sich Arbeitgeber mit Zuschlägen. Das Modell dagegen, das Nahles vorschwebt, würde gemeinsame Einrichtungen von Gewerkschaften und Arbeitgebern, wie sie heute etwa bei der Metallrente existieren, gegenüber anderen Formen privilegieren. Kritiker befürchten, dass diese schlechtere Erträge erzielen könnten als in einem vollständigen Wettbewerb der Systeme. Für die Arbeitnehmer könnte das unter dem Strich zu niedrigeren Auszahlungen führen.
Für die Arbeitgeber kann das einerseits teuer werden. Andererseits sieht der Nahles-Vorschlag vor, dass Arbeitgeber von ihrer Pflicht befreit werden, Mittel nachzuschießen, wenn das Geld nicht für die Leistungszusagen reicht. Voraussetzung dafür soll sein, dass sie selbst Beiträge in die Pensionskasse einzahlen und einem Absicherungsfonds beitreten, der im Falle einer Schieflage die Betriebsrenten auszahlen würde. Indem sie aus der Haftung herausgenommen werden, sollen sie ermutigt werden, einen Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung zu leisten.
Wird das viel bringen? Der Koalitionspartner und Arbeitgeber bezweifeln, dass diese Nachschusspflicht für Arbeitgeber die entscheidende Hürde ist, eine betriebliche Vorsorge aufzubauen. „Untersuchungen zeigen, dass eher die derzeitige steuerliche Förderung und die Komplexität der Durchführungswege die Betriebe davon abhalten“, sagt Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der Unions-Bundestagsfraktion. Zudem wurde die Entgeltumwandlung unattraktiver, weil Betriebsrentner seit 2007 die vollen Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen.
Arbeitgeberlager ist schon weiter
Der Deutsche Gewerkschaftsbund muss sich seine Meinung erst noch bilden. Das Arbeitgeberlager ist schon weiter. „Es ist gut, dass Bewegung in die Diskussion kommt, aber diesen Vorschlag lehnen wir ab“, sagt Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Arbeitgebervereinigung BDA. Würden gemeinsame Pensionskassen allgemeinverbindlich erklärt, käme das einem gesetzlichen Obligatorium gleich. Auch von der Haftung für die Betriebsrenten befreit zu werden sei kein Anreiz – zumal diese Pensionskassen über die Mitgliedschaft in einem Sicherungsfonds mittelbar in die scharfe Regulierung für Versicherer gedrängt werden könnten. Gunkel fordert stattdessen, das bestehende Betriebsrentensystem von Bürokratie zu entlasten.
Einige Versicherer bangen um ihr Neugeschäft
Vertreter der Versicherungswirtschaft warnen schon jetzt davor, dass der Wettbewerb in der betrieblichen Altersvorsorge durch ein Privileg für gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien eingeschränkt würde. „In dem über Jahre gewachsenen System bleibt alles so wie es ist, und es wird einfach ein neues danebengesetzt“, kritisiert Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Versichererverbands GDV. Einige Versicherer bangen um ihr Neugeschäft. Andere Branchenvertreter verweisen darauf, dass Gewerkschaften zu viel Einfluss auf die Kapitalanlage erhalten könnten. Mehr Wettbewerb zwischen den Versorgungseinrichtungen erhöhe die Sicherheit und verbessere die Geschäftsergebnisse – zugunsten der Arbeitnehmer. Zudem habe die Haftung der Arbeitgeber für die Pensionen den Markt vor übersteigerten Risiken geschützt.
Die bestehenden Pensionseinrichtungen werden derzeit erheblich durch den niedrigen Anlagezins auf den Kapitalmärkten belastet. Die 30 Dax-Unternehmen müssen für ihre Pensionsverpflichtungen immer höhere Werte in der Bilanz ansetzen, weil sie einen immer niedrigeren Rechnungszins zugrunde legen müssen. Dieser liegt derzeit bei 2,7 Prozent. Nur noch zu 58,7 Prozent haben sie ihre Verpflichtungen durch Planvermögen unterlegt, berichtet die Unternehmensberatung Towers Watson. Vor einem Jahr waren es noch 65,3 Prozent. Damit wächst der Druck, die Betriebsrente über sonstige Erträge zu finanzieren. Allerdings gleicht ihre erfolgreiche Kapitalanlage das etwas aus: In diesem Jahr haben die Dax-Unternehmen ihr Pensionsvermögen bislang mit beachtlichen 7,8 Prozent verzinst.