Trittin gegen neue Öko-Subventionen : „Steuern erhöhen ist gerechter als Schulden machen“
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„1,5 Prozent Vermögensabgabe pro Jahr brächten in zehn Jahren 100 Milliarden Euro“, sagt Jürgen Trittin Bild: Julia Zimmermann
Vor einigen Monaten suchten die Grünen noch einen Kanzlerkandidaten, jetzt fallen die Ambitionen etwas bescheidener aus. Im Interview spricht Jürgen Trittin über den Abschied von grünen Träumen, sein neues Vorbild Ludwig Erhard und was ihm an der SPD nicht passt.
Herr Trittin, sind wir ein reiches oder ein armes Land?
Trotz der hohen Staatsverschuldung sind wir immer noch ein reiches Land. Die Deutschen verfügen über private Geldvermögen von mehr als vier Billionen Euro.
Warum sind wir dann so hoch verschuldet?
Die Staatsverschuldung hat durch die Finanzkrise 2008 einen neuen Schub bekommen. Der Weg, für den sich Merkel und Steinbrück bei der Bankenrettung entschieden haben, war weltweit der teuerste. Das hat künftigen Generationen 100 Milliarden Euro zusätzlich aufgebürdet. Vorher waren die Staatsschulden im Sinken begriffen.
Die Neuverschuldung, nicht die Gesamtschulden.
Schon. Aber es gab Finanzminister, die ausgeglichene Haushalte vor Augen hatten.
Das gab es immer wieder, ob unter Theo Waigel, Hans Eichel oder Peer Steinbrück. Immer kam etwas dazwischen.
Stimmt. Bei Waigel lag es an der deutschen Einheit, bei Eichel am Platzen der New Economy, bei Steinbrück an der Lehman-Pleite.
Also klappt es nie?
Doch. Man muss sich gegen neue Krisen wappnen. Zum Beispiel mit einer Transaktionssteuer, strengeren Vorschriften fürs Eigenkapital der Banken oder der Regulierung von Hedgefonds.
Gegen die deutsche Einheit hätten Sie sich nicht wappnen können.
Das hätte ich auch nicht gewollt. Aber man hat sie nicht vernünftig finanziert. Ein beträchtlicher Teil unserer Staatsschulden stammt aus dem Versprechen Helmut Kohls, die deutsche Einheit ohne höhere Steuern zu finanzieren.
Wird der Staat jemals Schulden zurückzahlen?
Es gibt Regierungen, die das hinbekommen haben, zum Beispiel Bill Clinton in Amerika. Und zwar mit einer massiven Erhöhung der Einnahmen. Da mussten Anleger sogar Aktien verkaufen, um Steuern auf nicht realisierte Kursgewinne zu bezahlen. So etwas fordert bei uns nicht einmal die Linkspartei!
Ihr Rezept lautet: Steuern rauf?
Wir wollen einen Dreiklang aus Einsparungen, Subventionsabbau und höheren Einnahmen, ungefähr zu gleichen Teilen. Die grünen Fraktionen in Bund und Ländern haben einen Kassensturz gemacht: Wenn wir nichts unternehmen, sind die öffentlichen Haushalte 2014 bei einem strukturellen Defizit von 43 Milliarden Euro.
Wo wollen die Grünen sparen?
Die aufgeblähte Verwaltung der Bundeswasserstraßen könnten wir zum Beispiel streichen, solche Maßnahmen brächten immerhin eine halbe Milliarde Euro im Jahr. Eine bundeseinheitliche Steuerverwaltung würde sogar 10 Milliarden Euro sparen, aber darauf lassen sich die Länder leider nicht ein. Bei strukturellen Reformen muss man aber auch realistisch sein. Die Reform der Bundeswehr etwa wird zunächst teurer, nicht billiger.
Und bei den Subventionen?
Bei der Mehrwertsteuer wollen wir den ermäßigten Satz strikt auf Kultur und Lebensmittel beschränken, andere Ausnahmen wie Hotels und Schnittblumen sollen weg. Das macht allein 3,5 Milliarden Euro. Weitere 4 bis 5 Milliarden Euro ergibt der Wegfall des Ehegattensplittings, mit dem wir die kinderlose Alleinverdiener-Ehe subventionieren. Die Abschmelzung ökologisch schädlicher Subventionen wie Dienstwagenprivileg und Ausnahmen von der Mineralölsteuer bringen bis zu 10 Milliarden Euro.
Das reicht zum Schuldenabbau?
Nein. Zumal Zusatzkosten auf uns zukommen, wie die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums.
Das hat die Koalition doch gerade beschlossen?
Auf Pump. Wir würden das Existenzminimum sogar noch stärker anheben, aber mit einer soliden Gegenfinanzierung. Indem wir den übrigen Steuertarif nicht verschieben - und außerdem den Spitzensteuersatz anheben. Da würden schon 45 Prozent genügen, damit wir kein Minus machen.
Aber Geld gespart haben Sie damit noch nicht.
Mit all unseren Vorschlägen kommen wir für 2014 im Bund auf eine Neuverschuldung von nur noch 10 Milliarden Euro. Damit würden wir die Schuldenbremse einhalten.
Dann nehmen Sie aber immer noch neue Kredite auf, statt Schulden zurückzuzahlen.
Deshalb schlagen wir zum Abbau der Schulden, die durch die Finanzkrise zusätzlich entstanden sind, eine Abgabe auf alle Vermögen von mehr als einer Million Euro vor - einen Lastenausgleich, wie es ihn unter Ludwig Erhard für die Vertriebenen gab. Bei einem Steuersatz von 1,5 Prozent pro Jahr brächte das in zehn Jahren 100 Milliarden Euro. Das Geld würde nicht in den laufenden Bundeshaushalt fließen, sondern direkt in die Schuldentilgung. Damit wären die Ausgaben für die Bankenrettung größtenteils zurückgezahlt.