Thomas Oppermann : „Die SPD kann noch überraschen!“
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Bitte recht freundlich: SPD-Chef Gabriel und die übrigen Parteioberen nachdem die Parteimitglieder dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben. Bild: dpa
Erst Parteichef Gabriel, nun sein Fraktionsvorsitzender Oppermann: Angesichts weiterhin schwacher Umfragewerte nimmt die SPD offenbar Steuersenkungen ernsthaft ins Visier.
In der SPD-Spitze verstärkt sich offenkundig die Bereitschaft zu Steuersenkungen noch vor der nächsten Bundestagswahl. Nachdem Parteichef Sigmar Gabriel das Thema in die Diskussion gebracht hat, äußert sich nun auch der Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann dahingehend: „Wenn sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt, sind Steuersenkungen noch in dieser Wahlperiode nicht nur möglich, sondern auch richtig - Stichwort kalte Progression“, sagte er gegenüber der Wirtschaftswoche. Und weiter: „Warten Sie's ab. Die SPD kann noch überraschend!“
Zuvor hatte bereits Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel öffentlich darüber nachgedacht, den sogenannten „Mittelstandsbauch“ der Einkommensteuer abzuflachen. Das ist der gewölbte Teil des Steuertarifs, durch den in Deutschland die Steuerbelastung mittlerer Einkommen besonders rasch ansteigt, wie internationale Vergleiche immer wieder bestätigen. „Eigentlich müssten wir an die 20 Milliarden Euro des Mittelstandsbauchs ran“, sagte Gabriel vor wenigen Tagen auf einer von vielen Ökonomen besuchten Veranstaltung der Stiftung Marktwirtschaft in Kronberg im Taunus. Gabriel verwies auf Analysen der Industrieländervereinigung OECD, nach denen Deutschland „die leistungsfeindlichsten Grenzsteuersätze“ habe.
Die drei Bedingungen des Chefs
Die SPD ist nach der Bundestagswahl 2013 zu der Einsicht gelangt, dass mit Steuererhöhungen nur schwer Mehrheiten gewonnen werden können. Um die Partei stärker in der Mitte zu platzieren und wohl schon auf die kommende Bundestagswahl im Jahr 2017 vorzubereiten, arbeitet sie an einem Steuerkonzept, das Familien mit mittleren Einkommen und Kindern „ein deutliches Signal der Entlastung“ geben soll, erfuhr die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung aus der Umgebung des Parteivorsitzenden. Wie eine Entlastung der Mittelschicht mit Kindern genau erreicht werden soll, ist in der Partei demnach aber noch umstritten.
Gerade hatten auch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten die Bundesregierung gemahnt, die dank guter Konjunktur stark steigenden Steuereinnahmen für eine Reform der Einkommensteuer zu verwenden. Der Steuertarif solle abgeflacht und der „Mittelstandsbauch“ beseitigt werden, forderten sie. Der Bauch entsteht dadurch, dass der Steuertarif im unteren Bereich der Einkommensskala stärker steigt als in oberen Bereichen.
Gabriel nannte während der Veranstaltung in Kronberg allerdings drei Bedingungen, unter denen die Steuersätze im mittleren Einkommenbereich gesenkt werden könnten: Erstens will er die Abgeltungsteuer streichen, also die Privilegierung der Zinseinkünfte. Zweitens will er den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöhen. Und drittens dürfe der Solidaritätszuschlag nicht, wie von der Bundeskanzlerin kürzlich zugesagt, abgeschafft werden. Denn den Wegfall des Solis, der dem Bundesfinanzminister derzeit rund 15 Milliarden Euro im Jahr einbringt, würden sich die Bundesländer in den anstehenden Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich „bezahlen lassen“, sagte Gabriel.
Damit fehlten dem Bund dann aber schon 30 Milliarden Euro. Verspreche man darüber hinaus weitere 20 Milliarden Euro zur Abflachung des Mittelstandsbauchs, komme man auf 50 Milliarden Euro. Ein solches Wahlversprechen sei nicht zu halten.
Gabriel redet schon seit einiger Zeit immer mal wieder über Steuersenkungen, bislang allerdings über kleinere Summen. So wirbt er seit Monaten dafür, dass die Koalition endlich Teile der steuerlichen Inflationsgewinne (kalte Progression) an die Bürger zurückgibt. „Eine Entlastung von 5 Milliarden Euro ist ohne Anhebung des Spitzensteuersatzes möglich“, sagte Gabriel in Kronberg. Darüber hinaus möchte er dringlich einige steuerliche Verbesserungen für Unternehmen erreichen, besonders in der Gründungsphase.
Hingegen seien die von Teilen der SPD gehegten Pläne zur Wiedererhebung der Vermögensteuer „tot“, versicherte der Minister: „Die Vermögensteuer ist erledigt, weil niemand eine Idee hat, wie man Privat- und Betriebsvermögen trennt.“