Systemreform gefordert : Streit über die Hausarztverträge
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Viele Ziele: Die KBV-Chefs wollen die Patienten auf dem Land besser versorgen, die ärztliche Honorierung vereinfachen, den Vertragswettbewerb beschneiden und die Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen stärken Bild: dpa
Die Chefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Köhler und Claus-Peter Müller verlangen von der Regierung eine tiefgreifende Systemreform der Gesundheitsversorgung. Um das zu erreichen fordern sie, dass die Zahl der Vorstände der KBV erweitert - und eine Verlängerung ihrer eigenen Verträge.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verlangt von der Regierung tiefgreifende Änderungen in der Gesundheitsversorgung. Ziel sei es, die Patienten auf dem Land besser zu versorgen, die ärztliche Honorierung zu vereinfachen, den Vertragswettbewerb unter Ärzten zu beschneiden und die Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zu stärken, sagten die Vorsitzenden Andreas Köhler und Claus-Peter Müller am Dienstag. Um das zu erreichen, solle die Zahl der Vorstände der KBV um einen auf drei erweitert und die Vertragslaufzeit der beiden heutigen Chefs zunächst um ein Jahr bis 2012 verlängert werden.
Die Forderungen werden den Streit mit dem Deutschen Hausärzteverband um spezielle Verträge von Hausärzten mit den Kassen anheizen. In einem Brief an das Bundesversicherungsamt hat der Verband gerade mehr Unterstützung in den 1600 laufenden Schiedsverfahren angemahnt. Laut Gesetz müssen seit Juli vergangenen Jahres alle Kassen Hausarztverträge für ihre Versicherten anbieten. Das soll die Versorgung verbessern und Kosten senken.
Ob das geschieht, ist jedoch umstritten. Der Arzt bekommt dafür Geld, dem Versicherten wird oftmals die Praxisgebühr erlassen. Als Vertragspartner dafür kommt anstelle der KV de facto nur der Hausärzteverband in Frage. Dieser sucht seine Position zu nutzen und hat mit einigen Ortskrankenkassen Pilot-Verträge geschlossen. Diese werden von anderen Kassen aber als zu teuer abgelehnt. Im Ergebnis führt das dazu, dass es in Bayern und Baden-Württemberg sowie in Bremen Verträge gibt, im Rest der Republik aber nicht. Fast 1600 Verfahren liegen deshalb bei den Schiedsstellen, die nach dem Geschmack von Hausärztechef Ulrich Weigeldt nicht schnell genug arbeiten. „Bis zum 1. Juli wollen wir die Mehrzahl der Verträge am Start haben“, sagte er der F.A.Z.
KBV-Spitze will das Thema vom Tisch haben
Bis dahin will die KBV-Spitze ihrerseits das Thema am liebsten ganz vom Tisch haben: „Der Selektivvertrag sollte schnellstmöglich beendet werden“, forderte KBV-Vorstand Müller. Er ist Nachfolger Weigeldts, der die KBV im Streit verlassen hatte. Es mache keinen Sinn, neben den für die ambulante Versorgung zuständigen KV und den Krankenhäusern eine „dritte Ebene“ für die Hausärzte einzuführen. Das führe nur zu überflüssigen Doppelstrukturen. Allerdings hat die Koalition in ihrem Regierungsvertrag festgeschrieben, die Hausarztverträge nach drei Jahren, also frühestens 2012, zu überprüfen. Köhler und Weigeldt versuchen dies nun rückgängig zu machen. Man erwarte von der Politik Klarheit darüber, wie die medizinische Versorgung sichergestellt werde – wie bisher durch den Kollektivvertrag aller Kassenärzte mit allen Kassen oder durch Einzelverträge einiger Kassen mit Ärzteverbänden. Für das KV-System ist das eine Überlebensfrage.
Beim Thema Ärztehonorierung hat die KBV derweil ihre Meinung geändert: Nachdem sie in den vergangenen Jahren maßgeblich dafür eingetreten war, die ärztlichen Leistungen mit Pauschalbeträgen zu honorieren, setzt sie nun wieder auf die Abrechnung nach Einzelleistungen, die entsprechend definiert werden müssten. So soll ein Anreiz gesetzt werden, sich intensiver um den Patienten zu kümmern. Um den Ärzten keinen Anreiz zur kostentreibenden Leistungsausweitung zu geben, soll die abrechnungsfähige Wochenarbeitszeit auf 50 Stunden begrenzt werden. Derzeit liege sei bei 51,2 Stunden. Unter dem Strich seien damit keine Mehrkosten verbunden.
Köhler bekräftigte Pläne zur Gründung tageweise besetzter Arzthäuser in strukturschwachen Regionen. Müller warb für ein Modell der Arzneimittelversorgung, in dem der Arzt nur Wirkstoff und Dosierung festlegt und der Apotheker das Medikament auswählt, dessen Preis Kassen und Pharmafirmen auszuhandeln hätten.