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Carsten Germis (cag.)

Wirtschaftsbeziehungen : Japan ist selbst schuld

  • -Aktualisiert am

Die Ewiggestrigen: Japanische Nationalisten marschieren am 16. Juni durch das koreanische Viertel Tokios Bild: AFP

Südkorea nähert sich China an. Politisch wie wirtschaftlich ist Japan der große Verlierer. Doch das Land hat seine Lage selbst zu verantworten.

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          In Ostasien verschieben sich in diesen Monaten nicht nur die politischen Machtverhältnisse. Noch stärker verändern sich die wirtschaftlichen Gewichte in der Wachstumsregion. Vor allem Südkorea stärkt seine Position als Exportnation, indem es sich immer stärker China annähert. Japan, das sich vor gut zwei Jahrzehnten noch anschickte, wirtschaftlich die Nummer eins der Welt zu werden, ist der große Verlierer dieser Entwicklung.

          Dem Land der aufgehenden Sonne droht deswegen auf Sicht die wirtschaftliche Abenddämmerung. Es ist gefangen in einer gefährlichen Mischung aus erstarkendem Nationalismus, Verdrängung der eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einem irrationalen Widerstand gegen jede Öffnung nach außen. Viele Vorstandschefs japanischer Unternehmen haben diese Gefahr erkannt. Doch die politische Elite in Tokio sieht der Verschiebung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse vor der eigenen Haustür ungerührt zu.

          Sichtbares Symbol der Veränderung war der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping bei Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye in diesem Monat. Schon jetzt ist China der wichtigste Handelspartner der südkoreanischen Unternehmen. Auf 274,25 Milliarden Dollar summierte sich der Handel zwischen beiden Ländern im vergangenen Jahr, sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das Handelsvolumen ist größer als der Handel zwischen Südkorea, den Vereinigten Staaten und Japan zusammengenommen.

          „Abenomics“ verliert an Strahlkraft

          Südkorea liefert dabei nicht nur Güter in die Volksrepublik, es ist auch einer der wichtigsten ausländischen Investoren. Wie wichtig Peking und Seoul ihre wirtschaftlichen Beziehungen nehmen, zeigt sich an Xis Delegation: Mehr als 250 chinesische Unternehmer reisten mit ihm. 90 Verträge wurden geschlossen. Bis Ende des Jahres wollen Asiens größte und viertgrößte Volkswirtschaft eine Freihandelszone schaffen. Zudem wollen beide Länder bald die eigenen Währungen als Alternative zum Dollar im Handel nutzen.

          Wo bleibt Japan? Die drittgrößte Volkswirtschaft wächst hauptsächlich durch die Ausfuhr. Immer mehr japanische Unternehmen klagen darüber, dass der Nationalismus der japanischen Regierung ihre Geschäfte verhagelt. Auch die jüngsten Bilder vom Frühling zwischen Seoul und Peking haben ihren Ursprung in erster Linie in Tokio. Der Versuch des japanischen Regierungschefs Abe, selbst die offenkundigsten japanischen Kriegsverbrechen in Südkorea und China zu leugnen, hat die liberal-konservative Präsidentin Park in Südkorea – eine potentielle Bündnispartnerin Abes gerade in der Wirtschaftspolitik – in die Arme des Kommunisten Xi getrieben.

          Japan könnte zum neuen wirtschaftlichen Sorgenkind Asiens werden. Seine nach dem Regierungschef als „Abenomics“ bezeichnete Finanz- und Wirtschaftspolitik verliert an Strahlkraft. Es reicht auf Dauer eben nicht, die Notenpresse anzuwerfen. Die Bank von Japan hat mit ihrer lockeren Geldpolitik getan, was Abe verlangte. Die Regierung in Tokio selbst tut nichts. Echte Reformen fehlen. Eine Öffnung Japans für Freihandel? Südkorea hat schon ein Freihandelsabkommen mit der EU, südkoreanische Unternehmen gehören zu den großen Gewinnern. Dass der eigentlich für Ende 2013 von Amerika geplante Abschluss einer Freihandelszone der Pazifik-Anrainer (TPP) nach wie vor nicht in Sicht ist, liegt vor allem am Beharrungsvermögen der Japaner.

          Warum China an Südkorea interessiert ist

          Tokio müsste jetzt große Schritte auf Präsidentin Park zu machen. Stattdessen nimmt die japanische Regierung Rücksicht auf die Ewiggestrigen im Lande, die mit dem Amtsantritt Abes wieder in Schlüsselpositionen in Politik, Wissenschaft und Medien aufgerückt sind. In japanischen Buchhandlungen stapeln sich antikoreanische Bücher. Hassreden von Rechtsextremisten gegen Korea werden von der Regierung geduldet, während regierungskritische Moderatoren im Staatssender NHK mundtot gemacht werden. Jeder Gewinneinbruch in Südkoreas Vorzeigeelektrokonzern wird hämisch kommentiert, während die alten Vorzeigeunternehmen Japans, wie Sony, ums Überleben kämpfen und von Samsungs Ergebnissen nur träumen können. Japans Unternehmen, die global agieren, sollten sich überlegen, wie lange sie sich eine so engstirnige Regierung in Tokio noch leisten können. Japan verliert schon jetzt im Handel mit China zunehmend Marktanteile an südkoreanische Unternehmen. So haben die südkoreanischen Automobilkonzerne Hyundai und Kia ihren Marktanteil in China in den vergangenen fünf Jahren von 3,9 auf 6,1 Prozent steigern können. Japans Autobauer Toyota und Nissan waren die großen Verlierer.

          Pekings Kommunisten mit ihrem Antijapanismus können sich über dieses Geschenk Abes nur freuen. Die japanische Politik verschafft ihnen über Präsidentin Park mit Südkorea Zugang zu einem militärisch und wirtschaftlich wichtigen Verbündeten Amerikas in der Region. „Der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit China würde unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken“, sagte Südkoreas Präsidentin Park. Die Verschiebung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse in Ostasien zugunsten Chinas wird weitergehen, solange Japan seine Zukunft allein in einer angeblich goldenen Vergangenheit sucht.

          Carsten Germis
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.

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