Südafrika : Schwarze Bürger werden bevorzugt
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Auch in Johannesburg ist der Wandel zu sehen: Wer heute durch die Wirtschaftszentren Südafrikas schlendert, sieht schwarze Geschäftsleute in feinen Anzügen in Bürogebäuden verschwinden Bild: dpa
Die Wahl von Nelson Mandela vor zwei Jahrzehnten hat das Land verändert. Doch Ressourcen werden weiter nach Hautfarbe verteilt – sie hat nur gewechselt, und eine neue Gruppe unproduktiver Kapitalisten hervorgebracht.
Südafrika erlebte eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte, als Jan van der Sluys an Bord eines Dampfers in Kapstadt landete, mit Ehefrau, vier Kindern und seinem Besitz in drei Holzkisten. Die weiße Minderheit unterdrückte damals erbarmungslos die schwarze Bevölkerung. Genau in dem Jahr, in dem der Holländer seinen Baubetrieb anmeldete, erschossen weiße Polizisten Demonstranten im Schwarzenviertel Sharpeville. Das Unternehmen existiert heute noch. Es trägt jedoch einen Namen, den der mittlerweile verstorbene Gründer vermutlich nicht verstanden hätte: Isipani, das bedeutet „Team“, ein Slang-Ausdruck in der afrikanischen Xhosa-Sprache.
Die Umbenennung zeigt den rasanten Wandel, den Südafrikas Unternehmenswelt seit den ersten demokratischen Wahlen am 27. April 1994 erlebt hat. Wer heute durch die Wirtschaftszentren des Landes schlendert, sieht schwarze Geschäftsleute in feinen Anzügen und Kostümen in Bürogebäuden verschwinden. Cafés und teure Restaurants machen gute Geschäfte mit den „Black Diamonds“, der neuen schwarzen Mittel- und Oberschicht.
Schwieriger Balanceakt
„Es ist offensichtlich: Die exzessive Konzentration wirtschaftlicher Macht in wenigen weißen Händen darf nicht fortbestehen“, hatte Nelson Mandela vor seiner Wahl zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gesagt. Seine Regierung hatte damals einen enorm schwierigen Balanceakt zu meistern: Einerseits wollte sie einem Millionenheer von Armen – 90 Prozent der Bevölkerung – so schnell wie möglich zu Geld und Einfluss verhelfen. Andererseits durfte sie den wackligen sozialen Frieden nicht durch radikale Umverteilungen gefährden.
Die daraus resultierende Politik des Black Economic Empowerment (BEE) ist ein beispielloses Anreizsystem, das sich durch das gesamte Wirtschaftsleben zieht. Milliarden wurden seitdem umverteilt. Ein ganzer Wirtschaftszweig entstand durch BEE mit Beratungsfirmen, Prüfagenturen und Beteiligungsgesellschaften. Aber die Bilanz nach 20 Jahren fällt nicht so aus, wie es viele damals erhofft hatten: Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hat profitiert. Immer neue Änderungen sorgen für Verunsicherung, ausgerechnet in einer Zeit, in der Südafrika um das Vertrauen internationaler Investoren ringt.
Isipani baut im Kapstädter Vorort Ottery gerade die Erweiterung eines Einkaufszentrums. Auf den ersten Blick ist von einem Rollentausch zwischen Schwarz und Weiß wenig zu sehen. Ausschließlich schwarze Arbeiter schaffen in der gleißenden Sonne Schutt in Schubkarren fort. Derweil brüten weiße Bauleiter im Container-Büro über den Plänen. Den Chef der Firma, Jandré Arangies, erkennt man von weitem: hoch aufgeschossen, breites Kreuz, die Abstammung von niederländischen Einwanderern kann er nicht verhehlen.
Isipani sei ein traditionsverbundenes Unternehmen, erklärt er. Aber hinter den Kulissen habe sich der Betrieb radikal geändert. In allen Geschäftsbereichen – von der Materialbeschaffung, der Einstellung von Mitarbeitern, der Schulung bis hin zu wohltätigen Aktivitäten – gilt heute die Devise: Schwarz hat Vorrang. So fordert es BEE. Im siebenköpfigen Vorstand sitzt mittlerweile ein schwarzes Mitglied, bald kommen zwei weitere hinzu. Auch die Eigentümerstruktur ändert sich: Über zwei Stiftungen wird die überwiegend schwarze Belegschaft demnächst 25 Prozent an Isipani besitzen.
„Der richtige Weg“
„Es ist der richtige Weg“, sagt Arangies, offensichtlich kein Freund vieler Worte. „Wir arbeiten daran, die Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit zu korrigieren.“ Auf die Frage, ob er dies auch so sehe, sollte er einmal den Chefsessel wegen seiner Hautfarbe räumen müssen, zuckt er mit den Schultern. Gerne würde er das nicht machen, gibt er zu. Aber der Entwicklung könne man sich auch nicht entgegenstemmen.
Unternehmen in Südafrika haben auch keine andere Wahl. Regelmäßig müssen sie sich von Prüfern bewerten lassen, wie weit sie die BEE-Vorgaben einhalten. Eine gute Endnote ist nicht nur wichtig, um Staatsaufträge zu ergattern. Da sich Geschäftsbeziehungen zu transformationsfreudigen Unternehmen positiv auf die eigene Note auswirken, übt auch die Privatwirtschaft Druck aus.